Buch zum Film zum Sachbuch zur Terrorgruppe

Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex. Das Buch zum Film. Hamburg: Hoffmann und Campe, 224 Seiten, € 14,95
ISBN 978-3455500967


von Bernd Zywietz




Ja, wieder der Terz – was Bernd Eichingers und Uli Edels Film „Der Baader Meinhof Komplex“ für Haue bekam, erhält auch gleich das Buch mit. Ist ja schließlich von Katja Eichinger, der Frau des Produzenten und Drehbuchautoren. Da kann man natürlich prächtig seine Späße drauf machen. Überhaupt witzeln. „Das Buch zum Film zum Sachbuch“. Eine Wonne, ein Ulk.

Schon sitzt man wieder da und muss das Buch zum Film verteidigen wie zuvor schon den Film selbst, obwohl man es gar nicht will (und beide es nicht wirklich brauchen oder verdienen). Nur: Diese fast reflexartige Pauschal- und Vorweghäme ist so öde und ermüdend, dass man sich unversehens dem „Baader Meinhof Komplex“-Film und -Buchzumfilm fünfzig Milliarden mehr begeisterte Zuschauer und Leser und Käufer und Eintrittbezahler und DVD-Ersteher wünscht und obendrein den Oscar hier und den Pulitzerpreis da, damit das Rumgezicke derer, die doch so viel besser wissen, wie „es“ gewesen ist, keine Luft mehr bekommen vor lauter Kammerflimmern.

Natürlich ist auch das Buch nicht wirklich die Wucht, um es mal so zu sagen. Teilweise putzig plaudert Frau Eichinger vor sich hin. Wobei ihr zugute zu halten ist, dass sie sich und ihr subjektive Position nicht zu kaschieren sucht. Von der Idee, der Produktion und Drehbucharbeit über die Dreharbeiten geht der Bericht, unterbrochen von Statements von – natürlich – Aust, Eichinger, Edel sowie Künstlern hinter und vor der Kamera.

In der zweiten Hälfte wiederum beinhaltet das Buch zum Film zur Terrortruppe Eichingers Drehbuch, was für die Auseinandersetzung mit dem Film und „seiner“ Geschichte durchaus eine nützliche Sache ist. Allein schon, weil zu (ob erfolgreichen oder deutschen) Filmen hierzulande nach wie vor noch zu wenig an Drehbuchmaterial publiziert wird.

Man kann sicherlich streiten, über Sinn, Nutzen und Tiefe von Informationen, wie die Schwierigkeit, die das Auffinden welcher Originalsonnenbrillen der Zeit bereiten oder dass Eichinger Martina Gedeck in einem Münchner Restaurant für die Rolle der Meinhof angesprochen hat. Einer Gedeck, die dann Sätze zu lesen gibt wie:

„Es gibt viele Fragezeichen, was die Person Ulrike Meinhoff betrifft. Auch ihre Zeitgenossen sehen sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln.“ Ja, hm, sowas.

Vieles verwirbelt so allzu schnell zu einem Gefühl von Boulevard-Ernsthaftigkeit, irgendwo zwischen Luftleere und Banalität, Besinnlichkeit und Besinnungslosigkeit – oder schlicht leicht zu Wissendem (so wenn die Darsteller über ihre Figuren sprechen). Das alles versaubeutelt das Buch aber nicht. Denn das ganze Angestrengte verleiht dem Buch auch das Gefühl, dass sich diverse Macher des fertigen Films – ob vor oder hinter der Kamera – sich doch schon ihre Mühe mit ihrem Stoff gemacht haben. Ob sie dabei sympathisch sind, ob die sowas dürfen, das ist eine andere Frage. Natürlich wird wie immer die Biographiekarte aus dem Hut gezaubert. Eichinger und Edel im München jener Zeit. Auch so ein Spaß. Und ebenfalls klar ist: Einem Herr Kraushaar beim Sichgedankenmachen zur RAF „zuzuschauen“ ist zig Mal gewinnbringender als dem ganzen suspekten Künstlerpack hier zusammen. Den hübschen Drehbericht-Infos zum Trotz.

Doch es wäre schon viel gewonnen, zuzugestehen, dass beide in unterschiedlichen Klassen spielen – und dieses Guido-Knopp-Promo-Begleitwerk hat dieselbe Güte und Berechtigung in der medialen Auswertung eines ohnehin schon zu Tode publizierten Lieblingsaufregers wie ein „Was ist Was“-Buch, über das man sich schließlich auch nicht beugt und mault, Einsteins Relativitätstheorie sei darin schon ziemlich lumpig behandelt.

Also nur ein belangloses aber ehrbares Werk für Kinder und Jugendliche und bildungsferne Filmfreunde?

Ha, so einfach auch nicht. Wahrlich spannend wird „Das Buch zum Film“ nämlich, wenn klar wird, wie viel letztlich doch nicht an Originalschauplätzen gedreht wurde. Oder wenn Kameramann Rainer Klausmann berichtet, wie er sein Authentizitätsideal wie ein Fußballtaktiker hochhält: Von der Optik nach vorne denken, nicht nach hinten. „Ich nehme die Kamera einfach auf die Schulter und folge dem Schauspieler. Wenn der Schauspieler gut ist, dann ist ab und zu mal eine Unschärfe auch in Ordnung.“ Wobei dieser lobenswerte Gedanke von Freiheit, Inspiration und Kreativität schon von der folgenden Bildunterschrift zumindest relativiert wird, die berichtet, wie in Stammheim mit drei Kameras gleichzeitig gedreht wurden; in manchen Szenen gar mit fünf.

Das Buch macht darüber hinaus quasi amtlich, was ja so richtig mies ist: Nämlich dass sich Eichinger und Edel einen feuchten Kehricht um die deutsche filmische „Aufarbeitung“ der RAF kümmerten. Verweise auf Schlöndorff, Hauff und Co. kann man suchen. Stattdessen erfährt man, dass im Zuge der Drehbucharbeit immer wieder Filme wie „Black Hawk Down“, „French Connection“, „Syriana“, „Children of Men“ und „City of God“ diskutiert wurden. Für Edel ist der „BMK“ der Abschlussteil über das Thema Gewalt – nach „Christiane F.“ und „Letzte Ausfahrt Brooklyn“, und gedacht hat er dabei nicht an die deutschen 68er in den Feuilletons, sondern an seine Söhne Anfang zwanzig, die „in Amerika als schwarze Mischlinge aufgewachsen“ sind.

Dagegen müssen sich all diejenigen, die auf hohen Niveau wissen, warum es den filmischen „Baader Meinhof Komplex“ nicht brauchen, erst noch was einfallen lassen. Zumindest jene, wenn der Film aus dem Ausland gekommen wäre und die „Weatherman“ oder die Japanische Rote Armee zum Gegenstand gehabt hätten.

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