Reingeschaut: RUNDGANG 2009 (Filmklasse der Kunstakademie Mainz)

Filmpraxis zum Anfassen

von Dennis Vetter





Am 6.2. war es wieder soweit. Wie jedes Jahr präsentierte die Filmklasse der Kunstakademie Mainz ihren neuesten Output. Und als ob die 15 Kurzfilm-Kleinode des Programms ASPECTS OF FILM sowie das separate Dokumentarfilmprogramm VIVA! nicht schon ein ausreichender Grund zum Besuch gewesen wären, gab es sogar noch Weiteres zu entdecken. Im Rahmen des RUNDGANG 2009 wurden zusätzlich zwei Videoinstallationen von Jonas Etten und eine Lesung von Sebastian Linkes DAS AKADEMION. EINE GESCHICHTE ÜBDER LIEBE, KUNST UND WURST geboten. Nach der dem letzten Programmpunkt des Tages, der Präsentation des Kurzfilmprogramms zur Prime-Time, wurden die angeregten Besucher dann durch ein Konzert der Band BILLION DOLLAR HANDSHAKE so richtig in Gang gebracht und dabei mit feuchtfröhlichen Verlockungen zu Tratsch und Tanz in der Akademie animiert.

Das präsentierte Sammelsurium von Filmen der Studierenden und Absolventen zeichnete sich durch eine recht große inhaltliche wie produktionstechnische Bandbreite aus. So bot beispielsweise der Film RAPGAME von Steven Batesaki einen ironischen Kommentar zur medial geprägten Musiklandschaft, in dem er die Karriere zweier fiktional überspitzter Klischee-Rapper und ihre Auseinandersetzungen miteinander zeigte, begleitet von passenden Klingeltonwerbespots und geschickt montierten Medienberichten, fingierten Fankommentaren und Interviews – ein schräges Vergnügen zwischen amateurhaft wirkenden Dokumentarbildern und tricktechnischen Verrücktheiten.

Noch weitaus bunter und stilistisch gewagter waren einige der experimentelleren Filme, wie Vladimir Mladenovs WALK ON NEON, inszeniert als Musikvideo, der wohl am ehesten mit einem rohen LSD-Video-Trip zu vergleichen ist, oder der durch und durch bunte COLORANDO (Till Jürgens). Wie es sich für die Filmklasse einer Kunstakademie gehört, war der Experimentalfilm während des ganzen Programms durchgehend präsent und die entsprechenden Vertreter wirkten dabei besonders eindrucksvoll. Hier sind neben den eben genannten vor allem auch die Percussion-Plansequenz KALIMBA von Nils Hillebrand sowie FESTIVAL II (Danilo Vogt), der das Cannes-Festival im wahrsten Sinne des Wortes als ‚filmisches Kaleidoskop’ darstellte, zu nennen.



Auch der Dokumentarfilm kam nicht zu kurz. Das VIVA! Programm wusste mit einer großen Vielfalt zu begeistern und auch bei der Kurzfilmpräsentation schlichen sich mit FASS (Sabine Ermann) und dem fabelhaften DOLCE VITA von Routinier Michael Schwarz zwei Dokus ein. DOLCE VITA, als letzter Film des Tages, führt die Zuschauer mit unaufgeregten Bildern durch einen leeren Swingerclub. Dabei läßt er die gut gelaunten Besitzer des Etablissements die eigene Geschichte sowie die des Ortes und seiner Besucher erzählen. Der Film zeigte dabei keinerlei ‚Action’, sondern er schilderte respektvoll und minimalistisch, vor allem ohne jeden Voyeurismus, was sich zu Besuchzeiten in den Räumen abspielt und was die Menschen im Club und vor allem diejenigen außerhalb des Clubs daran reizt – alles Weitere blieb der Fantasie des Zuschauers überlassen.

Insgesamt blieben die Filme nicht nur als sehenswert, sondern vor allem als anregend im Gedächtnis. Anregend zum Nachdenken über die dargebotenen Inhalte und nicht zuletzt über das Filmemachen an sich. Das rund einstündige Programm am Abend und die Dokumentarfilm-Packung zur Mittagszeit förderten den Ehrgeiz, eigene Filmpläne irgendwann genauso gelungen umzusetzen, weckten beim Einen oder Anderen vielleicht auch die Überzeugung, es ohne Kunststudium bereits besser zu können – mit Sicherheit aber bei nicht Wenigen den Drang, die nächstbeste Kamera, vor der Kamera zu stehen oder selbst im Regiestuhl zu sitzen und es schnellstmöglich herauszufinden.

Der RUNDGANG 09 bot anspruchsvolles und ansprechendes Kino und blieb konsequent auf Augenhöhe. Während des Sehens hat sich wieder einmal bestätigt: Die Auseinandersetzung mit dem Kurzfilm und das vor allem im kreativen Kontext einer regionalen Filmszene ist eine der fruchtbarsten Möglichkeiten, sich in dem Kino theoretisch wie auch praktisch zu nähern. Und ebenfalls hat sich bestätigt: Auf diesem Gebiet stellt die Filmklasse eines der wesentlichen Foren in Mainz dar. Als kleiner Ausblick nebenbei: Filmpraxis-Interessierte können sich übrigens auch die Aktionen des PENGLAND!-Vereins einmal genauer ansehen, der die lokale Kurzfilm-Landschaft hin und wieder mit seinen ‚Kino in 48 Stunden’-Aktionen kräftig ankurbelt.