To boldly go where no reboot went before... Star Trek, der Elfte


von Andreas Rauscher

Star Trek. USA 2009, Regie: J. J. Abrams, Buch: Roberto Orci, Alex Kurtzman, Kamera: Daniel Mindel, Musik: Michael Giacchino, Produktion: J.J. Abrams, Damon Lindelof, Roberto Orci
Darsteller: Chris Pine (James T. Kirk), Zachary Quinto (Spock), Zoe Saldana (Uhura), Simon Pegg (Scotty), Karl Urban (‚Bones’ McCoy), Leonard Nimoy (Spock), John Cho (Sulu), Anton Yelchin (Pavel Chekov), Eric Bana (Nero)
Verleih: Paramount
Laufzeit: 126 Min.
Kinostart: 7.5.2009

Zwar gehören alternative Zeitverläufe und Paralleluniversen seit über vierzig Jahren zum festen Repertoire des „Star Trek“-Universums, doch mit dem elften Kinofilm wurde das neben den „James Bond“-Filmen langlebigste Franchise der Filmgeschichte von einer Raum-Zeit-Anomalie erfasst, der es immer wieder erfolgreich entgangen war. Nach der vorzeitigen Absetzung der TV-Serie „Enterprise“ und dem kommerziellen Misserfolg des letzten Films „Nemesis“ wurde auch „Star Trek“ vom Reboot-Hype erfasst. Diese Alternative zum gewöhnlichen Remake bewährte sich im Fall von Christopher Nolans „Batman Begins“ und Martin Campbells „Casino Royale“ als attraktives Modell zur Komplettsanierung brachliegender Kinoserien. Doch im Unterschied zur permanenten Gegenwart von Batman und 007 zeichnete sich „Star Trek“ gerade dadurch aus, dass die Schauspieler mit ihren Rollen alterten und anschließend von neuen Charakteren abgelöst wurden.

Die Aussicht, mit neuer Besetzung die frühen Abenteuer von Kirk, Spock und Co gezeigt zu bekommen, klang daher anfangs alles andere als faszinierend. Doch glücklicherweise wurde mit J.J. Abrams („Lost“, „Alias“) einer der innovativsten TV-Produzenten verpflichtet, der darüber hinaus mit „Missionhttp://www.blogger.com/post-edit.g?blogID=2562212114395784264&postID=7905861896530429615# Impossible 3“ (USA 2006) ein überzeugendes Regiedebüt abgeliefert hatte. Um den logischen Anschluss an die vorangegangenen siebenhundert Stunden „Star Trek“ zu sichern, absolviert sogar Leonard Nimoy fünfundvierzig Jahre nach seinem ersten Auftritt als Mr. Spock im Film ein fulminantes Comeback und verteidigt erfolgreich seinen Ausnahmestatus als neben den Rolling Stones ausdauerndste aktive Pop-Ikone im Rentenalter.

Denn auf Grund der langjährigen Erfahrung mit Zeitreisen und Dimensionssprüngen bringt es „Star Trek“ tatsächlich fertig, in einem Präzedenzfall des seriellen Erzählens die gewöhnlich einander ausschließenden Formate Sequel und Reboot zu verschmelzen. Nimoy verfolgt als Original-Spock einen rachsüchtigen Romulaner, gespielt vom schauspielerisch etwas unterforderten Eric Bana, durch Raum und Zeit, um der erstaunlich gut ausgewählten Neubesetzung als eine Art offizielles Gütesiegel ihre Authentizität zu bestätigen. Praktischerweise entsteht zugleich eine alternative Zeitlinie, die genügend Spielraum für weitere Abenteuer mit der neuen alten Crew lässt, ohne dass sie sich an die alten TV-Folgen halten müsste.

Abgesehen von Nimoys charmantem Gastauftritt gelingt das riskante Reboot-Unternehmen vor allem durch die überzeugende Besetzung. Zachary Quinto als Spock, der britische Komiker und Autor Simon Pegg („Shaun of the Dead“, „Hot Fuzz“) als Scotty, Karl Urban als McCoy und Zoe Saldana als Uhura eignen sich auf einfallsreiche Weise ihre Figuren an. Sie integrieren in ihr Spiel markante Gesten der bekannten Vorgänger und finden dennoch hervorstechende individuelle Ansätze. Chris Pine erscheint als Kirk emotionaler und ambivalenter als Shatner. John Cho und Anton Yelchin setzen als Sulu und Chekov hingegen die Rollen des wendigen und des skurrilen Steuermanns auf bewährte Weise fort.

Die hervorstechendste kreative Leistung gelingt jedoch Abrams selbst, der bereits in „M:I 3“ ein eindrucksvolles Gespür für Rhythmus und Bildkomposition bewiesen hat, und sich mit „Star Trek“ als einer der interessantesten gegenwärtigen Action-Regisseure etablieren könnte. Er verbindet auf elegante Weise ein mitreißendes Erzähltempo mit epischen Ansätzen. Die innovativen Einfälle seiner Inszenierung wie ein schwindelerregender Schlagabtausch auf einer in die Atmosphäre des Planeten Vulkan stürzenden Sonde ergeben sich aus der überlegten Variation bekannter Muster und nicht aus manieristischen Überakzentuierungen im Schnitt oder der Kameraführung.

Dramaturgisch verlassen sich die Autoren auf die in ihren TV-Serien bewährte Strategie, vertrauten Standardsituationen durch Intensivierung und durch zeitliche Sprünge in der Erzählung neue Aspekte abzugewinnen. Die Exposition des Films widmet sich in epischen Bildern der Jugend von Kirk und Spock im Zeitraffer. Die Emotionalität der Eröffnungssequenzen ermöglicht auch Zuschauern, die nicht mit der Entwicklung der „Star Trek“-Serien vertraut sind, einen unmittelbaren Einstieg in den Plot. Wenn der Film nicht auf ein möglichst großes Publikum ausgerichtet wäre, hätte der in einen Begleitcomic verbannte „Next Generation“-Prolog allerdings einen mindestens genau so reizvollen Anfang ergeben.

Aber angesichts der rasanten und bildgewaltigen Umsetzung stören derartige Details nicht weiter. Der visuelle Einfallsreichtum des Films lässt auch schnell vergessen, dass man als halbwegs mit der „Original Series“ vertrauter Zuschauer bei den ersten Missionen der Enterprise in erster Linie Pappmaché-Kulissen, zu Tricordern umgebaute Salzstreuer, Klingonen mit Faschingsschminke und einen in Sachen Overacting unschlagbaren William Shatner erwarten würde. Wenn dieser nicht doch noch durch einen spektakulären Coup die Brücke der Enterprise für sich zurückerobern sollte, steht „Star Trek“ eine vielversprechende Zukunft in der eigenen Vergangenheit bevor. Bleibt nur zu hoffen, dass der von Abrams gebrochene Fluch der ungeraden „Star Trek“-Filme, die ja bekanntlich immer die schlechten sind, sich nicht für die nächsten zehn Filme auf die geraden Zahlen übertragen hat.


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