Depardieu bei Chabrol: "Kommissar Bellamy"

von Harald Mühlbeyer

"Kommissar Bellamy"/"Bellamy".
Frankreich 2009. Regie: Claude Chabrol. Drehbuch: Claude Chabrol, Odile Barsky. Kamea: Eduardo Serra. Musik: Matthieu Chabrol. Produktion: Patrick Godeau.
Verleih: Concorde.
Länge: 110 Minuten.
Kinostart: 09.07.2009


Kommissar Paul Bellamy ist bei jedermann bekannt, ein respektierter Kriminaler, ein guter Ehemann, den es auch nach langen Jahren nach seiner Frau gelüstet (und sie nach ihm), ein Mann, der alles hat, was man sich wünschen kann. Ein Mann des Glücks. Für den alles gut ist, wie es ist. Er hasst Reisen, Veränderung. Und er hasst seinen Bruder Jacques, der jetzt in seinem Urlaub vor der Tür steht.

Bellamy ist ein komplexer Charakter, den wir im Lauf des Films kennenlernen. Eine Hommage an George Simenon, wie Chabrol sagt, und ganz zugeschnitten auf Gerard Depardieu, den der Regisseur als zutiefst simenonesken Charakter bezeichnet. Um den Kommissar geht es in dem Film ganz in der Hauptsache, um ihn, der an zwei Fronten kämpft, freiwillig: der sich an seinem Bruder abarbeitet, der bei ihm wohnt, mit der er irgendwie zurechtkommen muss. Und der sich um die Aufdeckung eines Versicherungsschwindels bemüht, der geplatzt ist, und dessen untergetauchter Verursacher nun seinen Schutz sucht.

Das hat was von einem Kriminalfall. Doch der ist ganz schnell abgehakt, gelöst, bald ist alles klar, wie der Schwindel vor sich ging, warum Emile Leullet alias Noel Gentil ihn begangen hat, inkl. Todesfall. Auch, wer der wirkliche Tote ist in dem verunglückten Auto, den der Täter als er selbst ausgegeben hat. Bis ihn ein DNS-Test der Lüge überführte.

Leider verlegt sich Chabrol also ganz auf die innere Handlung, lässt das oberflächliche Geschehen zur Nebensache werden. Vielleicht ist das ironisch gemeint, dass die gewohnte Kriminal-Whodunit-Story unterlaufen wird. Aber wenn, dann wird der Witz an der Ironie nicht ganz klar; und auch nicht pointiert herausgearbeitet. Wie ohnehin der Film allermeistens den bösen, bissigen, auf den Punkt gebrachten Humor missen lässt, den man sonst von Chabrol kennt. Außer in ein paar Szenen, am ehesten, wenn der Anwalt im Gerichtssaal als Plädoyer einen George-Brassens-Chanson zum Besten gibt…

Chabrol inszeniert gewohnt souverän, seine Darsteller sind ausgezeichnet gecastet, spielen mühelos jede Nuance ihres Charakters mit. Das gilt für den undurchschaubaren Versicherungsschwindler mit beinahe drei Identitäten ebenso wir für den wilden Bruder Jacques, der doch nur schwach und labil ist und Hilfe braucht. Und natürlich für Paul Bellamy, den Depardieu ganz souverän, quasi en passant, verkörpert, der so glücklich ist und es mit Unglücklichen, Verzweifelten zu tun bekommt, der wie nebenbei im Urlaub einen Fall löst, sich aber seines Bruders nicht annehmen kann. Der am Ende vielleicht sogar den Bitten seiner Frau nachgibt und mit ihr mal ganz woanders hinfährt.