Hofer Filmtage - Nächste Woche geht es los!

Screenshot schickt den rasenden Reporter los, um ab nächster Woche sehr, sehr live und möglichst täglich aus dem fränkischen Hof zu berichten: Denn dort starten am 27.10. die 43. Internationalen Hofer Filmtage.

Und das Beste ist: zwei der Hof-Filme habe ich schon vorab zu sehen die Möglichkeit gehabt.
"66/67 - Fairplay war gestern" von Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser kommt am 19.11. in die Kinos, Pressevorführungen zu dem Film haben daher bereits stattgefunden. Das ist ein Film über Fußballhooligans - der Titel ist da etwas suboptimal gewählt, weil er halt rein gar nichts aussagt und wahrscheinlich auch kein Laufpublikum ins Kino locken wird. Einige der besten, naja: zumindest aufregendsten deutschen Jungschauspieler spielen mit, zum Beispiel Fabian Hinrichs, Maxim Mehmet, vor allem Christoph Bach, der immer wieder in rauen, gegen den Strich gebürsteten Filmen mitspielt. Und ein solcher ist auch "66/67", und das ist gut so: er ist kompromisslos, wie seine Filmfiguren. Die sind Anfang, Mitte 30, eigentlich müsste es jetzt mal losgehen mit dem richtigen Leben für sie, aber sie hängen immer noch zusammen in ihrer Clique, in ihrem Eintracht-Braunschweig-Fanclub, der nach der Saison benannt ist, als ihr Verein die deutsche Meisterschaft erringen konnte: 1966/67 war das gewesen, bevor sie geboren waren...
Jetzt unterstützen sie ihren Verein nach wie vor im Stadion, auch wenn er knapp über der 4. Liga rumkraxelt; und nach dem Fußballgucken schlägern sie sich, machen Krawall, hauen Kneipen und gegnerische Fans kurz und klein und haben Spaß dabei.
Doch nein: es geht bei Glaser und Ludwig weniger um das soziologisch-psychologische Phänomen des Hooliganisms, zumindest nicht als Betroffenheitsduselei und/oder aufrüttelnden Aktivismusimpuls. Es geht mindestens genauso wie um die sinnlose Gewalt um die Freundschaft der Fanclubmitglieder, die nur durch die nach außen gezeigte Stärke erhalten bleibt: wenn die anderen Feinde sind, müssen die Freunde umso mehr loyal zueinander stehen. Und natürlich geht es bei den Schlägereien und der Randale auch darum, dem eigenen Leben einen wenn auch destruktiven Sinn zu verleihen - wenn schon die Zukunft ungewiss ist, die Freundin abhaut und jeden Zukunftsplan zerstört oder der Umgang mit der eigenen Homosexualität schwieriger und schwieriger wird.
Glaser und Ludwig haben ihr Drehbuch perfekt getrimmt, das Timing der Szenen ist superb, die Dialoge genau richtig, und die Inszenierung raffiniert: oft genug spielen sich zwei, drei Handlungselemente in einer Szene gleichzeitig ab, überlagern einander, spielen sich gegenseitig aus und sind doch so komponiert, dass nichts verloren geht. Die Chronologie wird beinahe unmerklich durcheinandergeschüttelt, so dass der Plotfortgang etwas Assoziatives bekommt; und mitunter springt der Film einfach in eine andere Ebene, plötzlich sind wir in Istanbul - Florian und Otto haben sich gerade Pillen eingeworfen, und auch das ist ein Ausweg aus dem Leben, in dem sie feststecken.

Dass ich einen weiteren Hof-Film schon sehen konnte, verdanke ich dem fantastischen Fox-Verleih, der den "Fantastischen Mr. Fox" nur weniger Tage nach dessen Londoner Welturaufführung auf der Frankfurter Buchmesse präsentierte - Kinostart ist erst im Februar. Das ist der neue Film von Wes Anderson, und dass der sich lohnt, versteht sich ja wohl von selbst. Es ist, ja tatsächlich: ein Animationsfilm geworden, und das ist durchaus passend und folgerichtig für Andersons Oeuvre, denn auch seine Spielfilme benutzen eifrig graphische Elemente: die exzessive Buntheit, die extremen Zeitlupen, die bühnenhaften Querschnitte durch die Szenerie, und natürlich die wunderschöne Fischwelt in "Life Aquatic with Steve Zissou"... Nun hat er einen Film ganz im Puppentrick gemacht, eine Kindergeschichte nach Roald Dahl vom Fuchs, der sein bürgerliches Leben aufgibt und seine frühere wilde Zeit als großer Hühnerdieb wieder aufleben lassen will: er überfällt erfolgreich die Farmen von Boggis, Bunce und Bean; doch die schlagen zurück, mit allen Mitteln, verjagen ihn, schießen auf ihn, graben nach ihm, belagern ihn wie auch alle anderen Tiere der Umgebung, und da muss sich der schlaue Fuchs einiges einfallen lassen, um sich und alle aus der Bredouille zu befreien: Pfiff Pfiff, Zungenschnalz!
Das ist das coole Markenzeichen von Mr. Fox, und es es wunderbar, wie sich diese Figur einfügt in die Rollengeschichte von George Clooney, der ihn spricht: schlau, gerissen, charmant, einnehmend, einfallsreich, wortgewandt, ironisch und total cool. Auch wenn Mimik und Gestik und Aussehen von Fox wenig von Clooney haben, treffen sich in diesem Film Clooneys darstellerischer mit Andersons inszenatorischem Witz - der ganz ausgeklügelt in seinen Film - wieder einmal - die Mechanismen von Film-Standardsituationen offen legt und sie zugleich gewinnbringend für sich nutzt: wie er hier etwa die Heistfilm-Topoi (in denen "Ocean" Clooney ja firm ist) mit Finesse verwendet und zugleich ironisch desavouiert...
Und wer hätt's gedacht: natürlich spielen auch wieder Familienprobleme eine Rolle, diesmal, weil dem Fox-Sohn Ash ein Cousin Christoffer zugesellt wird, der ein Naturtalent in allem ist und deshalb ganz schnell zum Konkurrenten um Papas Gunst wird. Beispielsweise im Whackbat-Spiel, in dem Papa Fox früher mal Meister war und in dessen Fußstapfen nun nicht Ash, sondern Christoffer tritt. Eine unglaublich wild-wahnsinnig-unsinnige Baseball- und Cricket-Variante ist das, für die wohl Lewis Carroll Pate gestanden hat.

PS: Von Screenshot-Autor Alexander Gajic erreicht mich die Nachricht über eine Mail des ehemaligen Screenshot-Autors Carsten Kurpanek aus Amerika, der eine Variety-Kritik von "Fantastic Mr. Fox" zitiert: Dies sei der zweite Film in diesem Jahr, in dem ein sprechender Fuchs vorkomme; hier gebe es aber keine Genitalverstümmelung.
Was nur bedingt richtig ist: Mr. Fox wird der Schwanz abgeschossen. Im Übrigen spielt Willem Dafoe in beiden Filmen mit.

Mehr Infos unter www.hofer-filmtage.de

Harald Mühlbeyer