FILMZ 09 - Überrascht?

*** Obacht! Leichte Spoiler zu 1000 OZEANE und WAS DU NICHT SIEHST!! (Wobei es gerade um die Frage der Schwere im Folgenden geht!..

Manchmal ist es eine Krux, wenn man so viele, so viele Filme gesehen hat in seinem Leben und deshalb neue Filme schon durchschaut, bevor es etwas zu durchschauen gibt.
Gut ist es, wenn der Regisseur dieses Durchschauen seiner Doppelstruktur voraussieht und in seine Inszenierung hineinarbeitet, oder wenn er es zumindest in Kauf nimmt.



Man kann den Regisseuren Luki Frieden von "Tausend Ozeane" und Wolfgang Fischer von "Was du nicht siehst" auch nicht vorwerfen, dass sie ihre Zuschauer für dumm halten; die Plottwists, die sie in ihren Filmen aufbauen, sind nicht wirklich als Überraschung angelegt, es geht nicht um ein shyamalaneskes Schock-Staunen, sondern um die Parallelsetzung von Innen- und Außenwelt, die halt am besten durch Manifestationen dieser Doppelung in die (scheinbare) Realität sich filmisch verwirklichen lässt. Dennoch kommt man den Filmen zu leicht auf die Schliche - bei "Tausend Ozeane" ist halt recht schnell klar, dass Meikel nicht mit seinem Kumpel Björn auf den Malediven war, sondern dass da der Tod mit im Spiel ist. Immer wieder mischt er Irreales ein: das seltsame Verhalten von allen nach Meikels Rückkehr, auf das sich der keinen Reim machen kann, zum Beispiel. Oder, zu subtil: wie ihm auf dem Rückflug eine Ärztin eine Wasserflasche reicht, eineinhalb Liter Vittel in einem Flugzeug (!), was halt zu dem Zeitpunkt doch eher nach Filmfehler aussieht als nach gewollter Irritiation.

Die Überraschung ist denn auch nicht der plötzliche Umschwung der Perspektive von Meikels subjektivem Blick auf eine objektive Wirklichkeit, dann eher schon, wie's weitergeht: dass er nämlich im Wachkoma liegt und seine Fantasiewelt aus diesem Dämmerzustand des Gehirns zwischen Leben und Tod kommt. Das ist nun wirklich neu - reicht aber nicht aus, um die restliche dreiviertel Stunde Film mit - wenn ich so sagen darf - Leben zu füllen.
Wahrscheinlich wäre der Film eben doch eher gelungen, wenn man tatsächlich vom Filmverlauf überrascht worden wäre.

Ähnlich auch "Was du nicht siehst". Hier reist der junge Anton mit seiner Mutter und deren Liebhaber in die Bretagne, und das muss man schon sagen: die Landschaft hat der Film wunderbar eingefangen, fast schon als Tourismuswerbung; wobei es dann halt doch ein bisschen überzogen ist, wenn Anton im Wald geradewegs auf einen Hinkelstein zuläuft. Da ist er mit David und Katja zusammen, die sind mysteriös und auch ziemlich anarchisch und machen, was sie wollen, und dabei geht es immer wieder um das dunkle Geheimnis, das jeder Mensch in sich trägt; und nun ja: weiß jemand unter den Lesern noch nicht, was los ist?



Jedenfalls ist schon, als der Familienhund aus dem Ferienhaus zum ersten Mal rausdarf, dass der später mal tot sein wird. Allerdings wird dieser Hundetod tatsächlich als eine Art Höhepunkt des Films eingesetzt - der eben darum nicht so richtig überragend ist -, und davor gab es eben zuviel Leerlauf: Anton, David und Katja in der Landschaft oder Anton, Mama und Stiefvater in spe in der Landschaft... Wobei, zugegeben: alles wunderbar eingefangen von einer hervorragenden Kamera (Martin Gschlacht).
Am Ende, nach den Längen, wird der Film wirklich gut, ohne dass es ausgesprochen würde kommt da der gute alte Ödipus zu seinem Recht, und das wirklich tiefe dunkle Geheimnis von Anton wird auch nur angedeutet.

Und wie war das denn - vielleicht können hier auch die anderen Screenshot-Blog-Autoren helfen: hat David, als er sich Anton vorstellt, seinen Namen nicht eher wie Harvey ausgesprochen, wie Jimmy Stewards unsichtbarer Hasenfreund?

Harald Mühlbeyer


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Ergänzungen:

Ja, Screenshot lebt und atmet, ist dynamisch wie das FILMZ, und dementsprechend werden auch unsere Blog-Einträge z.B. ergänzt, damit Sie möglichst allen Senf bekommen.

Unser Herr Mühlbeyer hat schon Recht mit seiner Kritik zu WAS DU NICHT SIEHST. Und gerade was der schwebende Plottwist betrifft, so ist der in letzter Konsequenz nur eine Pointe, die leider so und ähnlich schon viel zu oft durch die Film- und Fernsehwelt gegeistert ist. Dass man dann dieses unzuverlässige Erzählen unzuverlässig erzählt, macht es auch nicht besser.

Sicher, die Hinweise sind elegant gestreut und geboten, auch zur fast verweigerten Auflösung hin (aber natürlich immer noch deutlich genug, dass sie jeder mitbekommen dürfte). Nur: Ahnt man die wahre Geschichte in WAS DU NICHT SIEHST, bleibt kaum mehr als das "selbstzweckhafte" Kodieren der dunklen Parallelstory für sich. Anders als z.B. bei Shyamalans THE SIXTH SENSE, der über den Plottwist nur das Thema, um das der Film sonst noch dreht, verdeutlicht. Anders gesagt: WAS DU NICHT SIEHST würde ohne seine Auflösung, so hübsch diese auch dargeboten wird, nicht recht funktionieren – oder aber sogar viel besser, auf eine Weise wie Dominik Molls LEMMING.

Dass WAS DU NICHT SIEHST, mit Ludwig Trepte, Alice Dwyer, Bibiane Beglau und Andreas Patton hochwertig besetzt, bei der Vorführung von Moderation und – über diese – von den Machern als weil ein „Genrefilm“ verkauft wurde, als gäbe es ansonsten keine z.B. Komödien geben und als wäre dieser Film ein harter Thriller oder, das war schon ein bisschen albern.

Bernd Zywietz