Sherlock Downey Jr.

von Dennis Vetter

USA, 2009. Regie & Drehbuch: Guy Ritchie. Musik: Hans Zimmer. Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong. Verleih: Warner. Laufzeit 125 Minuten.

Die heutige Kinolandschaft ist schon ein hartes Pflaster, kaum Platz mehr für echte Gentlemen. Nachdem schon die Stilikone der Neuzeit schlechthin, James Bond, vom wortgewandten Anzugträger zum brutalen Adrenalinjunkie umgemodelt wurde, ist es kaum verwunderlich, dass es nun auch einen seiner ehrwürdigsten Vorfahren trifft.

Der Trailer ließ es bereits seit Langem erkennen: Flügelmützenträger und Kombinations-Ass Sherlock Holmes höchstselbst wurde von Guy Ritchie exhumiert und mit Vollgas durch die Aktualisierungs-Maschine gejagt. Heraus kam ein Raubein mit superheldenhafter Intelligenz, das vor publikumswirksamer Brutalität nicht zurückschreckt, Coolness und Drogenneigung absolut verinnerlicht hat und sich mit diesen Basic-Skills ohne weiteres auch in unserer ach so wunderbaren Gegenwart behaupten könnte. Guy Ritchies Sherlock Holmes ist seiner Zeit voraus - und büßt damit nicht nur einen Großteil seines Charmes, sondern auch seiner Glaubwürdigkeit ein. Als Figur, die nach den Regeln des 21. Jahrhunderts funktioniert, besteht er mit Leichtigkeit im viktorianischen England um 1890 zwischen Arbeitern und zurückgebliebenen Kleinkriminellen. Ohne große Anstrengung übersteht der smarte Detektiv auch die härtesten Auseinandersetzungen, macht unaufhörlich Vorrausdeutungen zu technischen Innovationen der Zukunft und analysiert mit unnatürlicher Gelassenheit auch die undurchsichtigsten Rätsel im Vorbeigehen. Ein überlegener Antiheld, wie er im Buche, Verzeihung, Drehbuche steht - und mit kleinen Variationen bereits mehrfach stand.


Draufgänger Sherlock Holmes alias Robert Downey Jr. und sein Begleiter, der kalkulierte Mediziner Dr. Watson (Jude Law) wirken eher wie Touristen auf dem Holodeck, denn wie glaubhafte Kriminologen - zu versiert, zu entspannt und zu zielsicher gehen sie zu Werke und werden dabei lediglich durch ein paar wenige Gesprächsfetzen charakterisiert. Das kratzt ordentlich an der Überzeugungsstärke der Geschehnisse, die sich leider ohnehin nicht sehr erfolgreich darin zeigen, das Publikum vom Hocker zu hauen: Religiöse Verschwörungen, okkulte Rituale, merkwürdige technische Geräte, eine widerspenstige Schönheit, trottelige Polizisten und zu guter letzt ein mysteriöser Drahtzieher im Hintergrund verdienen nicht wirklich Preise für Originalität. Von Mark Strong als Klischeebösewicht Lord Blackwood (also Bitte!) und Quotenmädchen Rachel McAdams gar nicht zu reden.

Obendrein scheint Guy Ritchie, so formal versiert er das Spektakel auch inszeniert, all die Intelligenz, mit der er Holmes ausstattet, dem Zuschauer abzusprechen. Jede auch noch so kleine Schlussfolgerung innerhalb des an sich schon uninspirierten Kriminalfalls wird dem Zuschauer durch eine Erklärung nach Holmes-Art entrissen und in absolut überdeutlich erklärenden Rückblenden ausgebreitet. Selbst ohne ein Wort des eindrucksvollen Dialekt-Gebrabbels von Downey Jr. zu verstehen, erlaubt allein die plakative Bildsprache in diesen Erklärungshilfen ein Verstehen aller Zusammenhänge – nur eben nicht aus dem Geschehen selbst heraus, sondern durch grundschulhafte Nachhilfen. Das Voice-Over und die erklärende Rückblende: Der Tod filmischer Kreativität. In anbetracht der Tatsache, wie hyperintelligent Watson und Holmes doch angeblich sind, kratzen derartige Erklärungsdialoge zwischen den Figuren nicht nur an der Plausibilität eines eingespielten Teams, sondern auch an der Spannung für den Zuschauer.

Und dennoch.


Sherlock Downey Jr. und Jude Watson bei der Arbeit, also beim Schauspielern, zuzusehen, macht von der ersten Minute an ordentlich Laune. Die angesprochenen Dialogfetzen zwischen den beiden wechseln sich mit allerlei skurrile Situationen ab und sorgen trotz oder gerade wegen ihrer Kürze für permanentes Schmunzeln. Der Zuschauer übersteht dank permanenter kleiner Schmankerl auch die banalsten Plotwirren mit einem entspannten Seufzen. Und eines sei dam Film zugestanden: So banal die Handlungstwists auch sein mögen, ist es dabei erfreulich, dass Ritchie keine durchgehende Actionorgie vorlegt. Das klapprige Handlungskonstrukt liefert ausreichend Zeit, um das Protagonistenduo zu genießen. Und wenn dann nach einer Verschnaufpause doch der Startschuss für eines der zahlreichen Geplänkel fällt, geht im Kugelhagel und wortgemäß ‚Slapstick’-haften Gekloppe glücklicherweise der Charme der Figuren nie verloren: Manche Actionszenen des Films berühren sogar beinahe das wohlige "Hau Drauf"-Feeling, das sich sonst nur bei den vollendet inszenierten Prügel-Klassikern von Terrence Hill und Bud Spencer einstellt. Wo Sherlock und Watson hinlangen, wächst kein Gras mehr.

Was nach diesem kurzen Resümee bleibt, ist ein gemischter Eindruck. Ritchie liefert einen recht vorhersehbaren Film ab, der Sherlock Holmes als kauzig-sympathischen, aber doch etwas sehr souveränen und unantastbaren Lebenskünstler präsentiert. Sein Film lebt einzig durch das starke Protagonistenduo, das mit Robert Downey Jr. und einem überaus spielfreudigen Jude Law hevorragend besetzt ist. Schulnote 2,5 - dank und trotz der unendlich platten Hundegags.

Ach ja, de Film legt natürlich eine Fortsetzung nahe...