Kino: „Nine“, es gibt keinen Film

von Ciprian David



„Nine“, USA 2009. Regisseur: Rob Marshall, Start: 25.2.2010.



„Nine“ ist eine Synthese des Films. Und wenn nicht, dann zumindest eine seiner Inspirationsquellen. Den Inhalt aus Fellinis „8½“ übernehmend, dazu die Form des darauf basierenden Musicals „Nine“ addierend, ein bisschen aus Fellinis „La Dolce Vita“ dazu mischend, schickt Rob Marschall die Crème de la Crème der internationalen Schauspiel-Stars auf die Leinwand.

Fellinis Guido Anselmi, schon seit der Heirat mit dem Musical „Nine“ zu Guido Contini geworden, bekommt in Rob Marshalls „Nine“ seine melodramatische Tiefe vom Schauspieler Daniel Day Lewis. In tiefster Schaffenskrise versunken, gelingt es ihm nicht, sein Drehbuch weiter als Seite eins – Seite keins zu bringen. Krank wird er auch immer, wenn er einen Film machen muss. Und die ganze Filmindustrie verfolgt ihn. Als ob das nicht reichen würde, sind ihm die Frauen aus seinem Leben ständig auf den Fersen, ob wirklich oder als Einbildung. Und die ganze Welt vergisst nicht, ihn an seine letzten Filme zu erinnern, an die Flops, die natürlich keiner mag.

Aus der einheitlichen Welt von Fellinis „8½“ nimmt sich „Nine“ die Leitmotive, die Charaktere, macht sie zu kleinen alleinstehenden Episoden, und vervielfacht die Klarheit der Botschaft. Obwohl es sich da, nach Peter Greenaway, um das Film-innewohnende „Psychodrama – mit all der Pseudo-Supermarkt-freudschen Analyse des Charakters […] das schon so lange geht“ handelt. Ein Verdienst des Films in dieser Hinsicht ist, dass er sich filmischer Mittel bedient um seine Episodenstruktur zu erlangen. Körnige Aufnahmen geben Stimmungen wieder. Die Theaterbühne wird regelmäßig zum Ort wahrer Gefühle und Gefühlsausbrüche (und gewinnt dadurch einen Ritualcharakter), während der diegetische Alltag des Films als eine Vernetzung von Intrigen, Lügen, Formalitäten und Koketterie die Gesellschaft beschreibt. So wird für Guido die Garderobe zum Ort der Meditation und ihre Leiterin, Lilli (Judy Dench), zu seinem innigsten Berater.

Die Starparade darf aber nicht vergessen werden. Die Frauen aus Guidos Leben bekommen jede für sich isoliert ihren Moment, der Reihe nach, sowohl auf der Musicalbühne, als auch in der diegetischen Welt des Films, wie in einer Ausstellung. Von lasziver Nacktheit (Penelope Cruz) zu statuesk (Sophia Loren), von beeindruckender Gefühlsintensität (Marion Cotillard) zum Exponent des Sexualtriebs (Fergie), vom Casual Flirt (Kate Hudson) zur klassischen, selbstbewussten Grazie (Nicole Kidman) entfalten sie die Facetten von Guido, bieten sich aber auch als Trophäen seiner nie aufhörenden Sucht nach mehr, alles besitzen, alles verschlingen wollend, an.

Es gibt keinen Film, sagt Guido seiner Crew im Film, und hört auf mit der Regie. Als er dann doch weitermacht, nachdem er das Kind in sich abgelegt zu haben scheint, erreicht „Nine“ seinen Schluss, da folgt die Abblende. In der Literatur würde man „Nine“ als Schulausgabe bezeichnen, und dafür wird er auch entsprechend von der Kritik verpönt, wobei gerade hier sein Meritus liegen könnte, indem er durch seinen Glamour und seine Starbesetzung aufmerksam macht und manchen Zuschauer zu seinen Ursprüngen, zu Fellini führt.


„Nine“, USA 2009. Regisseur: Rob Marshall
Regisseur: Rob Marshall. Drehbuch: Anthony Minghella, Michael Tolkin, Arthur L. Kopit (Autor). Kamera: Dion Beebe. Musik: Andrea Guerra. Produktion: Harvey Weinstein, Bob Weinstein, Rob Marshall.
Darsteller: Daniel Day Lewis, Judi Dench, Nicole Kidman, Penélope Cruz, Kate Hudson, Marion Cotillard, Sophia Loren, Stacy Ferguson.
Länge: 109 Min.
Start: 25.2.2010
Verleih: Senator