„Linie 7“-Premiere in Mainz


Im Rollen gedreht


Ach, wer kennt sowas nicht: Mit quälend süßer Regelmäßigkeit steigt sie zu, in den Stadtbus, jede Woche. Das hübsche Mädchen mit den Rehaugen (Francesca Herget) ist dem Jungen (Jonathan Lugner) gleich aufgefallen, und jetzt geht es „nur“ noch darum, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, sie dazu zu bringen, sich neben einen zu setzen. Was sie – natürlich – nicht so einfach tut.

Also kuckt man, ob man vielleicht riecht, spitzt die Ohren, wenn sie sich mit ihrer besten Freundin (Sarah Jurisic) unterhält, erduldet stumm, dass sie einer älteren Dame (Almut Kleinnagel) den ihr zugedachten Platz anbietet oder verteidigt diesen heldenhaft und mit roten Ohren beim nächsten Mal gegen einen erwachsenen Grantler (Steffen Conradi), der partout jetzt da sitzen will. Und ein nächstes Mal gibt’s eben immer, eine neue wöchentliche Runde im Bus, die so ein bisschen ist wie eine im Boxring, wo es schließlich auch ums Warten und Taktieren geht, um Adrenalin und das richtige Timing.

Irgendwann, schließlich, endlich lächelt das Mädchen den Jungen an, setzt sich zu ihm. Ja, und jetzt?

„Linie 7“ ist ein ebenso leichthändiger wie schmerzhaft genauer Blick auf eine alltägliche, nur scheinbar so kleine Herzensschlacht der Hemmnis und Schüchternheit – einfühlsam und zugleich mit sanfter Ironie inszeniert. Ausschließlich im öffentlichen Bus spielt der 7-Minüter, und gedreht wurde er von zwei Mainzern, Gerald Haffke und Sebastian Linke.

Haffke („Herr White – A Hausmeister’s Tale“) ist Student der Filmklasse der Mainzer Kunstakademie, Linke – von Screenshot HIER bereits vorgestellt – deren absolvierter Meisterschüler. „Linie 7“ ist ihr dritter gemeinsamer Film, den beide am 26. Februar in eben jener Akademie für Bildende Künste präsentierten.

Zwischen Snacks, Freigetränken, blauem Spendensparschwein und Sebastian Linkes Wallace-&-Gromit-Krawatte tummelten sich da viele Jugendliche an dem Abend – Schauspieler und Statisten des Films, zumeist Schüler der Jugendschauspielschule in Wiesbaden, der freien Scaramouche Academy (Infos HIER). Auch deren Chefin Corinna van Eijk war dabei, um mitzuerleben, wie gut sich ihre Schützlinge vor der Kamera bewährt haben. Allerdings: Der 16jährige Hauptdarsteller Jonathan Lugner ist in der Hinsicht Laie, wenn auch kein Neuling im Metier; „Linie 7“ war die zweite Zusammenarbeit mit Sebastian Linke, das nächste Projekt ist schon in Planung.



Idee und Buch zu „Linie 7“ stammen von Gerald Haffke, der auch die Kamera führte und mit Linke für Regie, Schnitt und die Musik zuständig war. Eine Geschichte im Bus, die an fünf verschiedenen Tagen spielt: ein ziemlicher Aufwand, nicht zuletzt in Sachen Continuity. Tatsächlich seien, so Haffke, die Dreharbeiten im vergangenen Sommer ein „Höllenritt“ gewesen, einer, bei dem freilich die Wiesbadener ORN half. Sie stellte den Bus zur Verfügung bzw. lieh ihn für ziemlich wenig Geld her, samt einem echten Busfahrer. Man mag kaum glauben, dass dieser nur einen der beiden Drehtage die Crew und rund 30 Darsteller durch die hessische Hauptstadt kutschierte (den anderen Tag filmte man im Depot neben dem Hauptbahnhof), denn praktisch der komplette Film spielt und wirkt sozusagen im Rollen gedreht.

Wegen des Engagements und handwerklichen Könnens aller Beteiligten wurde denn auch einmal mehr in Sachen „Mainzer Schule“ etwa kleines Großes (und Großartiges) auf die Beine gestellt bzw. produziert, etwas, das an „echten“ Filmakademien oder aber (gemeint ist Rheinland-Pfalz) in Bundesländern mit einer eigenen Filmförderung vielleicht einfacher zu haben wäre, im Fall von „Linie 7“ aber nicht nur professionell geraten, sondern – viel wichtiger – auch rundum gelungen ist. Ein Film, der sich nicht nur einfach „sehen lassen“ kann.

Wo und wann er sich freilich das nächste Mal sehen lässt, erfahren Sie bei uns.



Bernd Zywietz