Grindhouse-Nachlese: Zwei Überraschungsfilme mit Kannibalen und den Weinstein-Brüdern

Grindhouse-Doublefeature im Mannheimer Cinema Quadrat, 16. Oktober 2010

„XaXXiXXX XerXX“, / „Die RXXhX dXr KaXXibXXXn“, IXaXXeX X9X1, Regie: XmbXXtX XeXXi.

„The Burning“ / „Brennende Rache“, USA 1980, Regie: Tony Maylam.


Manchmal ist es einfach so, dass man Pech hat, wenn man nicht da war. Und wenn bei der Mannheimer Grindhouse-Nacht zwei Überraschungsfilme angekündigt sind, dann geht man entweder hin oder wird niemals erfahren, was in jener Nacht dort vor sich gegangen ist. Da verpassen Sie dann einfach, wenn im Dschungel von Südamerika [ZENSIERT] von einer Schlange verschlungen [ZENSIERT] grausliges Dorf [ZENSIERT] Schildkröte in ihrem eigenen Panzer gekocht [ZENSIERT] American Express-Karte vom Boden aufklaubt [ZENSIERT] und auf den Bäumen beobachten die Affen das Geschehen als eine Art griechischer Chor.

Das Sehen und Gesehenwerden: Das ist eine der Hauptmotive in einem Slasherfilm. So auch in Tony Maylams „The Burning“: „ein dreistes Plagiat von John Carpenters ‚Halloween’, […], ein Slasher Movie […], das vom Aufseher eines Sommerferienlagers handelte, der auf sexuelle Abenteuer erpichte Teenager mit einer Heckenschere massakrierte”, schreibt Peter Biskind. Biskind? Warum dieses? Weil an diesem Oktobersamstag in Mannheim Filmgeschichte gezeigt wurde: die allererste Miramax-Produktion, die nach dem Motto „Das kann ich auch“ gedreht wurde. Die produzierenden Weinstein-Brüder, so kann man annehmen, haben ein paar der damals in Mode gekommenen Slasherfilme gesehen, Harvey hat einen „Story“-Credit, Bob wird als Co-Drehbuchautor genannt. Fürs Horror-Make-Up wurde Genreveteran Tom Savini angeheuert, die Musik steuerte, man will ja protzen, Ex-„Yes“-Kopf Rick Wakeman bei – der klugerweise weiß, dass in den wirklich spannenden Szenen sein Synthesizer-Kleister fehl am Platze ist und es dann bei ein paar Elektro-Musikeffekten belässt. Was ich dabei verpasst habe: Holly Hunter in ihrer ersten Rolle, sie ist eines der Teeniegirls im Sommercamp; ich habe sie nicht erkannt.

Der Film folgt diesen Jugendlichen, die bemerkt haben, dass ihnen gewisse primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale gewachsen sind: das ist gar nicht schlecht inszeniert, wie die Jungs die Mädels und die Mädels die Jungs anstarren, wie sich das Interesse in Kichern, Zoten und Gehabe ausdrückt, wie sie merken, dass sie irgendwie von den anderen angezogen werden (und mitunter von den anderen ausgezogen). Da wippen die Brüste unter dünnem Shirt, da wackeln die Hintern im Bikini, da protzen die Jungs und laben sich an ihrer Männlichkeit, beobachtet von der Kamera, die den Zuschauer immer wieder in die Lage der Voyeure versetzt. Und beobachte von Cropsy, dem Killer, in dessen Subjektive der Zuschauer immer wieder versetzt wird, verdeutlicht durch Unschärfen am Bildrand.

Der Film nämlich spielt fünf Jahre danach, nach dem großen Feuer, das Cropsy verunstaltet hat. In einem Ferienlager hatten ein paar Jungs ihm einen Streich spielen wollen, ihm, dem sadistischen Hausmeister. Das ging schief: “This guy is so burned, he's cooked! A fucking Big Mac, overdone!” Jetzt ist Big-Mac-Cropsy auf Rache aus, mit seiner großen Heckenschere, und damit man weiß, wie böse er ist, lässt der Film ihn erstmal, ganz unmotiviert, eine Nutte killen. Und dann passiert erstmal nichts mehr.

Im Ferienlager gibt es zwar immer wieder schaurige Misstöne in der Teenager-Fröhlichkeit. Aber wenn dann zum dritten, vierten Mal der Film Suspense behauptet, die sich als falscher Alarm herausstellt, wird’s halt doch langweilig. OK: Ein Teeniegirl beim Duschen ist sehr nett, hehe, und wenn’s dann noch böse Geräusche gibt… „Psycho“ lässt grüßen, aber es war eben doch nur ein Nerd-Spanner. Dunkle Gestalten in der Nacht entpuppen sich als harmlose Gesellen, und allenfalls eine Lagerfeuer-Gruselgeschichte, in der vom legendären Cropsy erzählt wird, ist einigermaßen sinnvoll, weil sie dem Film mythischen Unterton gibt, und weil wir hier erstmals überhaupt was über den Killer erfahren. Passieren tut immer noch nichts, erst als ein Junge sein Girl zum Nacktbaden überredet, ist sie fällig.

Und dann geht’s Schlag auf Schlag, einer nach dem anderen wird gemetzelt: immerhin haben die Gewaltszenen den Film auf den Index gesetzt, so dass die ungeschnittene Fassung, die in Mannheim gezeigt wurde, ziemlich verboten ist. Jetzt, nach einer dreiviertel Stunde, geht es so richtig los, da wird einiges weggemetzelt: am drastischsten – und besten – wohl ein Teenozid auf einem Floß, bei dem auf einen Streich eine Handvoll Teenies der Heckenschere zum Opfer fallen.

Nach diesem Ausflug in die Filmgeschichte wird es laut Boris Becker, der die Filmreihe organisiert, im nächsten Monat beschaulicher zugehen: Paul Naschy wird auf dem Programm stehen, spanischer Horror-Spezialist: „Das ist von der Atmosphäre her wie bei den Hammer-Studios, aber etwas derber und mit Titten.“

Harald Mühlbeyer