Investieren Sie in Gold!


Tom Lass‘ PAPA GOLD soll ins Kino

Ja, worin soll man momentan investieren? Die Aktien kennen wieder mal nur den Weg nach unten, Staatsanleihen werfen kaum mehr was ab, die USA sind als Kapitalanlage unsolide, Atomkraftwerke werden abgeschafft und Drogenhandel ist nicht nur gefährlich, sondern auch verboten.

Da ist guter Rat teuer, aber wir von Screenshot haben natürlich was für Sie: PAPA GOLD von Tom Lass.

Der bestechend witzige, grandios improvisierte und mit 2.500 Euro Produktionskosten spottbillige Streifen wurde von dem Schauspieler Lass (u.a. STILLER FRÜHLING, KRABAT, HARTE JUNGS) als sein Langfilmregiedebut in rund 2 Jahren fertiggestellt. Gedreht wurde an „Originalschauplätzen“ in Berlin (sprich: dem Lass’schen Lebensraum in Prenzlauer Berg). Mittlerweile für den First Steps Award nominiert, lief PAPA GOLD dieses Jahr bereits auf dem Max Ophüls Preis in Saarbrücken und auch auf dem achtung berlin Filmfestival, wo er mit dem Preis des Verbands der deutschen Filmkritik (quasi der "Ratingagenturagentur" in puncto Kinoqualität) prämiert wurde.

PAPA GOLD handelt von dem jungen Mann Denny (Lass selbst), der, unwiderstehlich lethargisch, mit vielen wechselnden Damenbekanntschaften und wenig Verbindlichkeiten in den sommerlichen Kiez-Alltag hinein lebt. Eines Tages taucht Frank (Peter Trabner) auf, der „zweite Mann“ von Dennys Mutter. Der Sohn hat seit Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen, und um das zu ändern, ist der leicht tölpelige Frank in die Großstadt gereist. Er wird von Denny erst unterkühlt begrüßt, dann doch aufgenommen (um nachts, wenn sich Frauenbesuch ankündigt, auf den nächsten Treppenabsatz des Mietshauses ausquartiert zu werden).



Nach und nach freunden sich die unterschiedlichen Charaktere an – und es wird klar, dass jeder von ihnen sich vor etwas drückt: Frank vor der Familie daheim, Denny vor dem Erwachsenwerden und der (Selbst-)Verantwortung.

Ganz leise, einfach und beiläufig ist das erzählt und trotz Improvisation und reinen Momentaufnahmen sehr stringent, klug und berührend. PAPA GOLD fängt nicht nur ein Berlin ein, das es so nur einmal gibt (und an vielen Stellen schon nicht mehr), sondern auch ein damit assoziiertes, gleichwohl universelles Lebensgefühl. Das kann man nur, wenn überhaupt, wie Lass mit tollen Nachwuchsdarstellern und dem maulfaulen, trockenen, alltagsbeobachtenden und dann doch wieder augenzwinkernden Humor aus dem Ärmel schütteln und in Film gießen, um es einzufangen. Das unheimlich packende, scheinbar so Hingeworfene und Lakonische gerät über die souveräne handgeführte Kamera samt der verblüffend guten Bildqualität (gedreht wurde mit einer HD-Fotokamera) sowie dem freien, so spontan wirkenden „Dokumentar“-Schnitt weniger lebendig als mehr noch: lebensecht, eigendynamisch und unheimlich effektiv.

So kriegt Denny in seiner Wohnung (die in Wirklichkeit die des Kameramanns Anselm Belser war) Besuch von der Motorradmechanikerin Mike (beeindruckend präsent: Lore Richter). Sie ist Dennys wahre Herzensdame, bei ihr ist es was Ernstes, doch trotz allen Bettgeschichten: Immer wenn es um die burschikosen Mike geht, steht sich Denny linkisch selbst im Weg. Aus ihrer Sicht sind sie einfach nur Kumpels, mehr nicht. Ausschnitthaft nun beobachtet die Kamera die beiden in der Küche, als Denny, im Schutz der Beiläufigkeit, Mike einen Kuss zu geben versucht. Woraufhin sie sich wegdreht, ihn überrascht und mit Spinn-ich-spinnst-du-Lächeln halb empört, halb belustigt anschaut. Was soll das denn jetzt... Ein Augenblick zum Luft-durch-die-Zähne-Saugen. Awkward! Dann, Schnitt, ein Jump-Cut, beide stehen sie immer noch in der Küche herum, nur das sie jetzt anderweitig ganz woanders sind. „Und der ist einfach so vorbeigekommen?“, fragt Mike; klar, sie sind jetzt bei Frank angelangt, dem neuen Stiefpapa und thematischem Ausweg aus der peinlichen Situation.


Dieser Schnitt ist eigentlich nur ein einfacher formaler Handgriff, doch gerade mit diesem so montierten Zeitsprung ist nicht nur alles, sondern – durch Weglassen – mehr gesagt, subtiler und (durch die Assoziation dieses illusionsbrechenden Behelfs mit der Augenzeugen-Authentizität – oder ihrem Stil – von Dokumentationen, Reportagen etc.) wirklicher, tiefgehender und zugleich distanzierter, als es mit vielen Worte, mit dem Ausspielen des Szene oder elaborierte Inszenierungsideen möglich wäre.

PAPA GOLD macht denn auch in seiner leichthändigen, aber nie leichtfertige Art Spaß und lehrt dabei vielschichtig das Sehen, oder gar: er verführt zum Sehen. Zum Miterzählen, zum Komplettieren der Figuren, von denen wir so viel wissen und zugleich so wenig, weil wir sie direkt, ganz nah und trotzdem immer nur über Auftreten und Rollen, ihre echte und falsche Gesten wahrnehmen und zu entschlüsseln suchen.

Das ist manchmal komplex, manchmal banal, aber PAPA GOLD interessiert uns für diese Figuren und ihre / unsere Geschichte, und er tut das bei allem Ungeschliffenen und Rotzigen, den einigen – selbst wieder ironischen – Albernheiten, den Augenblickseinfällen und dem Auspropieren, bei all der Einfachheit der Story, dem Witz und dem betont Pubertären des Habitus (eigentlich war’s ein Film, mit dem Lass mit möglichst vielen Mädchen ins Bett gehen wollte) – ja bei alldem tut PAPA GOLD all das das auf erstaunlich erwachsene Weise.



Was also machen mit dem Film, und insbesondere: Wie und wo kriegt man ihn jenseits von Einzel- und Sondervostellungen zu sehen?

Zusammen mit seinem Bruder Jakob, seines Zeichens vor allem Regisseur, hat Tom die Produktionsfirma „Lass Bros“ gegründet und damit im Alleingang – eben für 2.500 Euro und unbezahlbarem Umsonst-Engagement von Freunden und Kollegen – PAPA GOLD gestemmt. Jetzt soll der Film ins Kino, und, jawohl, er soll das, denn künstlerisch, vor allem aber auch als Produktionsprojekt gehört er da hinein. Nicht obwohl, sondern gerade weil soviele TV-Filme die deutschen Leinwände nicht zuletzt aus Gründen der Förderung fluten. Geld brauchen aber Tom Lass und PAPA GOLD dazu, zum Beispiel für die Musikrechte.

Dafür haben die Gebrüder das Crowdfunding entdeckt: Viele einzelne können damit spenden und wunderbare kreative Dinge wie PAPA GOLD möglich und erfolgreich machen. Einfach auf http://www.startnext.de/papagold gehen und etwas helfen. Sie tun dafür echt Gutes, sowohl für die famose Crowdfunding-Idee selbst wie auch für einen sehenswerten Film, und damit sind Sie sogar noch effizienter als wenn Sie Ihre Geld für sowas wie Banken- oder Euro-Rettungen hergeben.

Ob das tatsächlich eine Finanzanlage für Sie ist, ob Sie also etwas zurück bekommen? Auf längere Sicht und in gewissem Sinne: auf jeden Fall! Außerdem: Gold ist zurzeit sowieso das beste Investment – und war auch lange nicht so günstig wie hier.

Wem das jedoch zu kosten-nutzen-unsicher oder noch nicht genug ist, hier noch eine Garantierendite: Jeder Crowdfunding-Co-Finanzier ist Ehrengast auf der Lass-Bros-Party am 18. August im V.C.F., Berlin (Rochstr. 132, 10178 Berlin-Mitte, nahe Alexanderplatz)! Das Ganze beginnt ca. 22.00 Uhr nach dem PAPA-GOLD-Screening im Babylon. Gefeiert wird der 100. Geburtstag des Großvaters der Lass-Brüder, die PAPA-GOLD-Nominierung zu den First Steps Awards sowie die Unabhängigkeit der Republik Kongo.

Also, nix wie los nach: http://www.startnext.de/papagold. Das Crowdfunding läuft noch bis zum 15.08.

P.S.: Ein ausführliches Porträt von Tom Lass gibt es demnächst hier bei Screenshot.

Die Website von Tom Lass ist die hier: www.tomlass.de, die der Lass-Brothers: www.lassbros.com. PAPA GOLD im Internet gibt es wiederum da: http://www.papagold.de.


Bernd Zywietz


Tom Lass über Crowdfunding und Papa Gold from faunafink on Vimeo.