DICKE MÄDCHEN überall!



Günstig gemacht, nie aber billig ist DICKE MÄDCHEN von Axel Ranisch – vielleicht der Überraschungshit des Jahres. Für nominelle 500,- Euro Budget entstanden ist der Film. Ranisch improvisierte mit Peter Trabner, Heiko Pinkowski und seiner Oma Ruth Bickelhaupt, drehte das alles auf MiniDV – und erzählt damit eine urkomische wie berührende Geschichte, nicht zuletzt über Menschlichkeit und die Ränder und Grenzen von Konventionen in puncto Leben und Liebe.

Ranisch, Cast und Crew von DICKE MÄDCHEN, aber auch die kleine Produktionsfirma Sehr gute Filme, zu der neben Ranisch auch Pinkowski, Produzentin Anne Baeker und Kameramann Dennis Pauls gehören, konnten sich nicht nur freuen, dass der Film es tatsächlich, nach mehreren Preisen (u.a. dem fürs beste Drehbuch!), ins Kino schaffte (dank des Verleihs Missing Films): DICKE MÄDCHEN wurde dieses Jahr auch mit einer Sonderehrung des Deutschen Kurzfilmpreises
bedacht. 

Seit dem 15.11. läuft DICKE MÄDCHEN auf deutschen Leinwänden (kommt dabei auch nach Mainz: ins CinéMayence, ab dem 24.1.2013!).

Ein Interview mit Axel Ranisch gibt zum Lesen und zum Anhören HIER bei Deutschlandradio Kultur. Und unter dem Titel „Jedes Gramm ist eine Genuss“ rezensiert Daniel Sander DICKE MÄDCHEN auf Spiegel-Online.

Früher natürlich noch hat Bernd Zywietz DICKE MÄDCHEN und Axel Ranisch „entdeckt“. Weshalb Sie in ANSICHTSSACHE - ZUM AKTUELLEN DEUTSCHEN FILM noch mehr über den sympathischen Filmemacher und weitere Vertreter einer Generation „German Mumblecore“ werden lesen können.


Neuer Reader, neues Blog

Die Screenshot-Redakteure Bernd Zywietz und Harald Mühlbeyer haben zugeschlagen: Ansichtssache - Zum aktuellen deutschen Film heißt das Großwerk, das im Februar im Schüren-Verlag erscheinen wird.

Kurzbeschreibung:

Ansichtssache – zum aktuellen deutschen Film

Es gilt als ein schlechtes Jahr für den deutschen Film, wenn kein neues Werk von Til Schweiger oder Bully Herbig startet, denn dann sinkt die Quote am Gesamtmarkt rapide. Das deutsche Filmschaffen jenseits solcher zugkräftiger Namen aber bleibt meist außen vor und ist an handfesten Zahlen nicht festzumachen. Der Großteil der deutschen Filme findet selten den Weg in die deutsche Öffentlichkeit oder auf viele Leinwände. Ist der junge Deutsche Film bei allem Kritikerlob nur für Programmkinos und das Fernsehnachtprogramm gemacht? Immerhin in Fachkreisen finden Diskussionen zu diesen Fragen und Lamenti über Produktions- und Rezeptionsbedingungen, über Qualität und Förderbedingungen, Besucherzahlen und Zuschauerquoten statt.
Ansichtssache – Zum aktuellen deutschen Film will Thesen und Positionen dieser Debatte festhalten – durchaus auch subjektiv, immer aber fundiert, detailgenau und wohlbegründet; ohne Anspruch auf Vollständigkeit, stets aber mit Blick auf das große Ganze.
Das facettenreiche und vielschichtige Filmschaffen Deutschlands in seinen aktuellen Tendenzen betrachtet und begleitet
Ansichtssache - Zum aktuellen deutschen Film mit Fokus auf Newcomerschauspieler und ihre Filme, Independent- und Nachwuchsregisseure, auf Themen, Ästhetiken, Festival- und Produktionsumgebungen, mit besonderem Blick auf die Produktionen der letzten beiden Jahre. Denn zwischen allen „Keinohrhasen“ und „Berliner Schülern“ findet man eine reiche, bunte und vielschichtige Kinolandschaft, sucht aber systematische Publikationen, wache Beobachtungen und Entdeckungslust zu und in diesem spannenden Bereich bislang vergebens. Ob es sich nun um Personen vor und hinter der Kamera, einzelne Filme, Trends, verlorene Traditionen oder neue Chancen der Produktion und Distribution im digitalen Zeitalter handelt: Eine Reihe renommierter Autoren, Filmkritiker, -wissenschaftler und -journalisten, aber auch Protagonisten selbst melden sich zu Wort, kommentieren, analysieren und werfen einen facettenreichen Blick auf den Deutschen Film aktuell.
Beiträge von
Brigitte Bertele, Sebastian Brose, Alexander Gajic, Sascha Koebner, Harald Mühlbeyer, Julia Quedzuweit, Thomas Rothschild, Hajo Schäfer, Bernd Schon, Georg Seeßlen , Rüdiger Suchsland und Bernd Zywietz.


Sie wollen mehr erfahren? Besuchen Sie die Webseite zum Buch: http://ansichtssache-buch.blogspot.de/!

Grindhouse-Nachlese November 2012 - "Das Söldnerkommando" und "Daimajin"

Cinema Quadrat, Mannheim, 24. November 2012

„Kill Squad“ / „Das Söldnerkommando“, USA 1982, Regie: Patrick G. Donahue.

„Daimajin“, Japan 1966, Regie: Kimiyoshi Yasuda.



Da ist man mal wieder bei einer Grindhouse-Doppelnacht, nach vielen Monaten ungewollter Pause; und schon gibt es Neuerungen im Altbekannten: Reihen-Kurator Boris Becker hat einen Assistenten dazugewonnen, der frischen Wind in die Filmauswahl bringen wird. Die hat ja zuletzt oft auf die Horrorkarte gesetzt und soll nun an Vielseitigkeit gewinnen. Frisch erfüllt von einer neuen Dosis Trash will man dann tippend sein Herz ausschütten, will die Belustigung und, ja, Begeisterung in die Welt hinausschreiben. Und macht dann den Fehler, „Das Söldnerkommando“ zu googeln.

 Dann nämlich stellt man fest, dass irgendwelche Schwengel, schlimme Bratenbengel, einem schon lange nen gebrauchten Lutscher ans Hemd geklemmt haben, worauf ich einen totalen Minusbock hab: Völlig illegitim und absolut verwerflich, dass die besten Stellen des Films durch Youtube geistern! Soll man jetzt noch was drüber schreiben, wo’s doch für alle Welt offensichtlich verfügbar ist!? Ein Film, der schon im Original schwachsinnige Dialoge haben muss, die durch die Synchro soweit verschlimmbessert wurden, dass sie an kondensierter Kultigkeit kaum mehr zu überbieten ist. Unbeschreiblich schön, fast poetisch, trifft der deutsche Ton mitten ins Herz des zeitlosen Sprachsalats, der im Wissen um die Sinnlosigkeit jedes Versuchs, US-Umgangsjargon (der er ja ohnehin nur für den Film geschaffen wurde) in irgendeine deutsche Sprechrealität zu verpflanzen, künstlich im verschwitzten Treibhaus hirnhyperventilierender Synchro-Übersetzer hochgezogen wurde.

Bleibt die Handlung, und die ist von einer dramaturgischen Schlichtheit, die ebenfalls geradezu entzückend ist. Joe und seine Frau werden überfallen von bösen Buben. Ganz nebenbei erfahren wir dann, dass die Frau gestorben ist, Joe jedenfalls sitzt im Rollstuhl und will Rache. Also trommelt er seine Vietnamveteranenkumpels zusammen: Den Bodybuilder und den Bauarbeiter, den Gärtner, den Zuhälter, den windigen Betrüger. Jeder einzelne wird vorgestellt durch einen Schwachsinnsdialog, der nahtlos in eine Prügelei übergeht – denn alle im Film, egal ob Autoverkäufer oder Partygäste (auch weibliche!), können Kung Fu, oder zumindest das, was sich das amerikanische Prügelactionkino filmgerecht darunter vorstellt. Das jedenfalls ist das Riff, auf dem der Film basiert, es folgen Strophen und Refrain: Man verfolgt eine Spur, prügelt sich, der Gesuchte kommt um und hinterrücks wird auch einer vom Söldnerkommando gekillt, durch einen geheimnisvollen Snyper. Daraufhin: militärisches Appell in Joes Rosengarten. Und auf zur nächste Prügelei. Und so weiter, bis zu einer lauten, krachenden Coda, in der die diversen Instrumente des Films mutwillig zusammengekloppt werden.

Ein Kontrast dazu: Die klassische, emotional begleitende Filmmusik, die „Daimajin“ bot. Das ist im Grunde ein Crossover aus Samurai- und Riesenmonsterfilm, produziert, um dem japanischen Star Godzilla ein bisschen Paroli zu bieten – und zwar, indem man auf anspruchsvolle Kinematographie setzte, die eben gerade nicht trashig aussieht. Denn Regisseur ??? greift zurück auf die Traditionen des Kinos, speziell auf den deutschen Stummfilm, der oft genug zutiefst romantisch war – mit mythischen Urgewalten, die jeder Vernunft widersprechen.

Romantisch (= antiaufklärerisch) auch „Daimajin“, der die Legende eines steinernen Berggottes belebt, der angerufen wird, das Dorf von seinem gewalttätigen Tyrannen zu befreien. Eine Story wie im Golem, und von Wegener oder Murnau hat der Film einiges; die Natur, die in ihrer überhöhten Künstlichkeit umso gewaltiger wirkt, die Bosheit des Gewaltherrschers, die sich auch ins Metaphysische hinzieht. Denn sein erster Amtsbefehl ist der Verbot einer rituellen Feier, die den Berggott besänftigen soll; der Aberglaube soll bekämpft werden. Der Film erzählt davon, wie das Mysterium zurückschlägt.

„Daimajin“ ist als sinfonische Schöpfung gestaltet, die Filmmusik – die Begleitung für einen Stummfilm sein könnte –, die Ausstattung, die Mise en Scene wirken als harmonische Einheit, in die die Handlung fließend eingebettet ist: Zwei verstoßene Königskinder, die sich nach einem Putsch auf dem Heiligen Berg in der Höhle des Majin versteckt halten und zehn Jahre später die Rebellion gegen den Gewaltherrscher wagen. Beschützt werden sie durch eine Priesterin – sie hält den Berggott Majin in Schach, und sie ruft den Krieg des Sagenwesens gegen den Tyrannen aus. Dieser versklavt die Bevölkerung für megalomanische Bauwerke, lebt in vollem Bewusstsein seiner unumschränkten Macht. Und unterdrückt höhnisch lächelnd jeden Aufstand.

Bis der Majin aufersteht, am Ende des Films. Sein Auftritt ist nicht als Sensation des Riesenmonsters inszeniert, sondern als logische Konsequenz. Bewunderungswürdig die Tricktechnik, die ihn zum Leben erweckt: Schüfftan-Verfahren (oder ähnliches) und Matte-Painting, Modelle und natürlich Schauspiel in der Ganzkörper-Gummimaske sind so gekonnt ineinander geblendet, dass sie niemals lächerlich wirken.

Nein: „Daimajin“ ist kein Schund. Und damit der größtmögliche Gegensatz zum „Söldnerkommando“. Schön, dass alles unter der Grindhouse-Haube Platz findet.

Harald Mühlbeyer