Hofer Filmtage 2013: "The World, then the Fireworks" von Michael Oblowitz

In diesem Jahr fuhr der geneigte Verfasser mit leichtem Unbehagen nach Hof. Der neue von Atom Egoyan; der neue von Francois Ozon; der neue von Roman Polanski; der neue von Jim Jarmusch - sie alle liefen auf dem Filmfest in Hamburg, vor ein paar Wochen. Und die stille Hoffnung, dass Heinz Badewitz den neuen Gilliam-Film "The Zero Theorem" hat holen können - immerhin liefen hier auch schon Wes Anderson und Darren Aronofsky - hat sich auch nicht erfüllt.

Wie Hohn fühlt es sich da an, wie Badewitz im Vorwort zum Programmheft den Gast der diesjährigen Retrospektive vorstellt: Er zählt unter anderem Kathryn Bigelow und Jim Jarmusch (siehe oben!) auf, um auf Michael Oblowitz zu kommen. Michael wer? Hatte ich noch nie gehört. Und es wird nicht besser, ihn so zu charakterisieren: "Er ist mit den oben genannten Filmemachern nicht nur befreundet, sondern sie haben zum Teil auch an seinen Filmen mitgearbeitet." Ja und? - fragt der Verfasser, der vor vielen Jahren mal Marie Bäumer gesehen hat, wie sie in der Deutschen Bank Geld geholt hat, lange übrigens, bevor andere diese Erfahrung machen konnten.

Michael Oblowitz in Hof
Oblowitz aber stellt sich als überaus interessant heraus: Nunja, immerhin spricht er sehr offen, bezeichnet etwa sich selbst als fünftklassigen B-Regisseur, dessen Filme nie das wurden, was sie sein sollten. Bei einem aber, bei "The World, then the Fireworks" von 1996, habe dann doch alles gut zusammengepasst. Außer, dass sich die Rechteinhaber offenbar des Films schämten, den sie weder auf DVD oder BluRay noch auf Onlinestreaming freigaben, bisher.

Zunächst befinden wir uns im Jahr 1926, Unabhängigkeitstag und Katastrophe für die Zwillinge Marty und Carol. Ein Eifersuchtsdrama, der fremdgehende Vater erschießt den rechtmäßigen Ehemann der Geliebten, vor den Augen der Kinder, kommt später dafür auf den Stuhl, die Geliebte begeht Selbstmord, die Mutter verfällt einigermaßen dem Wahnsinn. Superlustig für die Kids, so Marty in seinem von Weltekel geprägten Voice-Over-Kommentar.

Um ihn wird es gehen, 30 Jahre später, in den Großstadtdschungeln von Chicago und L.A. Er weiß, wie die Spiele laufen, die der Politiker, der Cops, der Medien und der Gauner. Und er weiß sich zu behaupten, als einsamer Wolf, der mit allen Mitteln zu verhindern sucht, dass ihn und seine Motive irgendwer durchschaut. Warum hat er eine fette Kuh geheiratet, einen fetten Sohn gezeugt? Irgendwer musste sie ja heiraten, und wer, wenn nicht er. Er, der All American Boy mit dem markanten Gesicht, irgendwo zwischen Marlon Brando und Warren Beatty.

Billy Zane als Marty, Gina Gershon als Carol
Er kehrt zurück zu Mama und Schwester; und das Verhältnis zu Carol, dem Zwilling, ist anrüchig. Sie präsentiert sich ihm gerne halbnackt, er liegt gerne bei ihr im Bett - eine zwielichtige Affäre in einer zwielichtigen Welt. Carol ist Nutte, aber erhaben über all die schmierigen Männer, denen sie begegnet. Marty ist angewidert vom System und stellt sich bewusst ins Außerhalb. Das ergibt unglaublich starke Szenen - wie er eine Polizistin anmacht, indem er unmissverständlich sagt, was er will, wie diese dann ihr ritualisiertes Cop-Gebaren auf- und sich ganz der Geilheit hingibt. Oder wie er einem fetten, weißgekleideten Detektiv nachstellt, der seine Schwester beschattet, wie er ihm die Würmer aus der Nase zieht, um ihm dann den Kopf auf einen Briefaufspießer drückt.

Die Handlung ist voller Volten, recht verwirrt, ich habe wohl auch kaum alles voll verstanden - das macht aber nichts, das Labyrinthische ist Teil des Vergnügens, und was ist das Vergnügen an einem Labyrinth, wenn man den Weg gleich rausfindet? Marty jedenfalls will seiner Cop-Geliebten ihr Haus abschwatzen und so zu Geld kommen, Carol steckt als Independent-Hure im Visier von Bullen und Mafia, zudem von ihrem Ex-Mann. Dazu kommt die nörgelnde, Inzest vermutende Frau Mama. Marty entpuppt sich mehr und mehr als Psychopath, der sich auf irritierende Weise der verrotteten Gesellschaft angepasst hat, die der Film zeigt. Und Carol ist nicht minder kaputt. Einmal fickt sie, angefeuert vom Trauma der 1926er-Kindheit, einen Freier zu Tote... oder war es ein wissentlicher Mord?

Unglaublich atmosphärisch, der Film, mit wirklich starken Bildern - einer der wenigen, vielleicht der einzige im ganzen Hof-Programm, der von 35mm abgespielt wurde. (Einen der Vorführer hab ich klagen hören, wie hinter den Kulissen unglaubliche Probleme mit den digitalen Materialien herrschen; tatsächlich mussten wir bei einem anderen Film das Q&A stark abkürzen, weil wegen Abspiel-Problemen im Nachbarkino dort der Saal gewechselt werden musste - es wird eben nichts besser mit dem Fortschritt...)

Jedenfalls: Oblowitz, den merk ich mir. Heute Nacht um 00.15 Uhr der nächste - und vielleicht morgen hierzu hier mehr...

Harald Mühlbeyer