FILMZ 2013: Summer's gone

Zum Auftakt des Festival des deutschen Kinos in Mainz

Juhu, es ist wieder da, das Mainzer FILMZ – Festival des deutschen Kinos, der Lichtblick in der spätherbstlichen Tristesse. Ein Jahr hat es pausiert, dabei aber nichts an seiner Frische verloren und macht, im Großen und Ganzen da weiter, wo es aufgehört hat. Gottlob. Sicher, der Spielfilmwettbewerb ist enorm gewachsen: Zwölf „Lange“ konkurrieren dieses Jahr, und es wird ein harter Kampf. Das Rahmen- und Reihenprogramm ist erneut üppig: Urs Spörri präsentiert in der Altmünsterkirche wieder das Stummfilmkonzert (Fr., 29.11., ab 20.00 Uhr), gezeigt wird heuer ORLACS HÄNDE von Robert Wiene aus dem Jahr 1927, Drehbuchpitching am Sonntag, lokale Dokus, lokale Kurze neben den Contest-Reihen – und chill-out-after-hour-FILMZirkel ab 20.00 Uhr, diesmal bei „Oma Else“.

Gelb-Schwarz-Weiß, FILMZ ist wieder da, inklusive einem 007-Titelsequenz-würdigen Festivaltrailer. Aber irgendwie ist auch ein klitzekleinwenig der Wurm drin. Das ist natürlich auch nicht neu, macht auch nichts: FILMZ wird gestemmt von Ehrenamtlichen, was in Mainz eben auch heißt: von Studierenden, und da ist soviel Wechsel und Fluss drin, dass sich FILMZ zumindest hinter den Kulissen ohnehin schon öfters neu erfunden hat. Und das auch bei der Eröffnung nicht alles ganz rund lief, ist folglich ebenso traditionell wie sympathisch (mithin: welches Filmfest ist dahingehend schon perfekt).

Mindestens ein Mikro fällt am Dienstag aus (obligatorisch), das Beamerbild mit den Sponsoren flackert und wird just in dem Moment abgeschaltet, als eben darauf verwiesen wird, die Moderation noch ein bisschen steif. Egal, mehr noch: das hat Charme, lockert auf, war immer schon so (überall!), muss so sein. Was jedoch mehr befremdet und intuitiv schwerer wiegt ist, dass zum Start im großen "Capitol"-Kino nicht, wie die Jahre zuvor, dasselbe rappelvoll war. Viele Plätze blieben leer; vielleicht wegen zu viel eingeplanter Ehrengästen. Aber man vermisste ihn schon, den Aufruf, sich doch bitte zu melden, falls noch ein Platz neben einem unbesetzt ist. Schlimmer noch: Gerade nach der einjährigen Pause drängte sich zumindest für eine Schrecksekunden der Gedanke auf, dass das Interesse an FILMZ nachgelassen haben könnte, das Mainz und die Mainzer und aller drum herum zwar das Festival des deutschen Kinos loben und lieben, es aber doch schnell aus Herz und Hirn verlieren, kaum dass es mal aussetzt. Treulosigkeit, Oberflächlichkeit, Entbehrlichkeit? Die nächsten Tagen werden zeigen, ach was, beweisen, dass dem nicht so ist! Denn FILMZ ist wieder da, und mit einer weiteren Tradition hat man auch zur Eröffnung auf verlässliche Weise nicht gebrochen, nämlich jene, nicht gerade mit dem dollsten Film des Wettbewerbs zu beginnen. Wer verschießt schon sein Pulver gleich zu Anfang – Spannungskurve, Dramaturgie, das gilt nicht nur für Filme, sondern auch für ihre Festivals.

Dabei war es gut geplant und stimmig getimed: Kaum wird es (mal wieder) so richtig kalt in Mainz, lockt FILMZ 2013 mit südfranzösischer humorvoller Leichtigkeit: STILLER SOMMER von Nana Neul (MEIN FREUND AUS FARO) hat eigentlich auch alles, was die Seele wärmen könnte – rustikale Idylle mit groben natursteinernen Bauernhäusern, Künstlertum und Rotwein, Katze, Trüffelschwein und Lamas, vitalen Franzosen, vor allem ein grandiose Dagmar Mantzel (NACH FÜNF IM URWALD; DIE VERLORENE ZEIT), der auch eine gelungene Storyidee, naja, quasi „in den Mund gelegt wird“: Ihrer Kristine ist die Stimme abhanden gekommen, und wie sie sich den größten Teil des Films nur mit Mimik und Gestik verständigen kann, so dass sich die Figuren ringsum an ihr abarbeiten können, hat große Klasse und besonderen Charme. Die kecke Tochter (frisch: Marie Rosa Tietjen) hat was mit einem feschen Einheimischen, auf den auch Mama ein Auge wirft (und umgekehrt, dieser auf sie), dann kommt Papa noch dazu (gespielt vom ebenfalls großen Ernst Stötzner; s. H.-C. Schmids WAS BLEIBT) ...

Doch statt es beim luftigen Liebes- und Beziehungsreigen zu belassen und ihn auszukosten, wartet STILLER SOMMER mit einer Volte auf, die ein ganz neues Fass aufmacht, Schuld und sexuellem Doppelleben, ein bisschen zu ausgedacht und teutonisch-tragisch in der Idee, als wäre Neuls Drehbuch ein bisschen zu sehr am Redaktionsbesprechungsthemen-Tisch konzipiert worden (und selbst wenn dieser Tisch nur im Kopf gestanden hat). In Rückblenden wird dann alles noch mal Vieles aus der anderen Perspektive gezeigt, und passé ist die Sommerfrische, die auch leider in den Bildern nicht so wirklich eingefangen ist, so blass und eng gehalten, aller Spontanität, allem Witz (inklusive Psychopilz-Naschen) zum Trotz.

STILLER SOMMER ist kein schlechter Film, kein verbiesterter Film, aber er steht sich selbst letztlich im Weg herum, weiß nicht wohin mit sich, macht sich seine Probleme selbst. Bei allem Flair und Schwung, Deutsche in Südfrankreich eben.

zyw