Neu auf DVD, BD und als VoD: THE CANYONS

Diesem Werk und seinen Beteiligten – so den Schauspielern Lindsay Lohan und James Deen, einschlägig aus unanständigen Filmen bekannt – schlug bereits ungemein viel Häme entgegen, etwa ein Ausschluss vom Sundance-Filmfestival oder internationale Verachtung nach einer Vorführung beim venezianischen Filmfestival.
Nach der Sichtung von THE CANYONS kann nun endlich das konstatiert werden, was man ohnehin schon ahnte: All die fiesen Kommentare werden dieser filmischen Extravaganz mitnichten gerecht! Denn der Erotikthriller von Paul Schrader ist ein Ereignis, das sich höchst eindrucksvoll in der Balance zwischen Tief- und Unsinn hält, und das sich als fulminant-infernalische Low-Budget-Avantgarde bezeichnen lässt.

Die Dialoge sind herrlich prätentiös und filthy – und somit wohl jedem ein Fest, der den Schreibstil des AMERICAN PSYCHO-Autors Bret Easton Ellis liebt (tut das denn allen Ernstes irgendjemand nicht?). Die Ästhetik pendelt indes zwischen gnadenlos hässlich und glänzend schön, zwischen sexualisierter Seifenoper im Cheapo-Look und ambitioniertem Arthouse-Stück mit meisterhaften Bildideen. Und die Handlung? Ein wilder Mix aus nihilistischer Showbiz-Studie, trivialem Liebesgerangel, böser Rachegeschichte und drogenvernebeltem Krimireißer im Sündenbabel L.A., welches von eklatantem Kinosterben betroffen ist und von skrupellosen Machtmenschen sowie von (in vieler Hinsicht) Abhängigen, Verzweifelten und nicht zuletzt von unbedarften wannabes bevölkert wird.
Christian (James Deen) ist ein Sohn reicher Eltern, der – weniger aus Cinephilie denn aus Langeweile – Filme produziert. Er lebt mit dem gescheiterten Model Tara (Lindsay Lohan) in einer Villa und gibt sich der Dekadenz hin: Luxusgütern, Rauschmitteln und – vor allem – sexuellen Spielen. Als Christian herausfindet, dass Tara eine Affäre mit Ryan (Nolan Gerard Funk) – dem naiv-strebsamen Hauptdarsteller seiner neuen Produktion – hat, ergreift er überaus drastische Maßnahmen, um seinem Zorn Ausdruck zu verleihen…

Hinter den Kulissen mag Lindsay Lohan eine unzuverlässige Diva sein – vor der Kamera macht die junge Frau ihre Sache aber (wieder einmal) richtig gut. Augenscheinlich sind ihre Ausstrahlungskraft und ihr schauspielerisches Talent trotz all der Eskapaden, über die die Presse stets zu berichten weiß, ganz und gar unverwüstlich. Versehen mit einem Übermaß an Mascara und Lippenstift, neben dem selbst Liz Taylor in ihrer exzessivsten Phase wie ein Ausbund an Dezenz wirkt, sowie mit einer Camp-Garderobe, die unter anderem erstaunlich absurde High Heels und überdimensional-scheußliche Sonnenbrillen beinhaltet, mimt La Lohan eine Figur, die mal ungeheuer abgestumpft, mal kratzbürstig und biestig, gelegentlich jedoch auch hochgradig fragil anmutet – und die durch jene Fragilität zu einer vergleichsweise vielschichtigen Gestalt im zynisch-kalten Ellis-Kosmos wird.
Dem Pornodarsteller James Deen muss man zwar ein gewisses Ungeschick attestieren (denn wer sich durch die Wahl seines Künstlernamens in die Nähe der coolsten Person der Kulturhistorie rückt, muss damit rechnen, der herausgeforderten Gegenüberstellung nicht standhalten zu können) – gleichwohl agiert er hier als leading man recht souverän. Die Ellis-typische Kombination von ennui und Psychopathie beherrscht er fraglos ausgezeichnet. Die Nebendarstellerriege nimmt sich eher unauffällig aus; als weiteren Pluspunkt gilt es, die Mitwirkung von Gus Van Sant (als Christians Therapeut) zu nennen.

Andreas Köhnemann


THE CANYONS. USA 2013.
Regie: Paul Schrader
Buch: Bret Easton Ellis
Laufzeit: DVD ca. 93 Min. / BD ca. 99 Min.
Freigabe: FSK 16
Extras: Trailer, Bildergalerie, Clips: Creating The Canyons
Anbieter: NewKSM
 

Scheitern und Schweigen: Ethan & Joel Coen beim 12. Mannheimer Filmseminar

„Film und Psychoanalyse im Dialog“ lautet das Motto der allfrühjährlichen Mannheimer Filmseminare im umtriebigen kommunalen Kino Cinema Quadrat. Und natürlich darf bei dieser Vorgabe der ödipale Konflikt bei der Filminterpretation nicht fehlen – den Manfred Riepe – Filmkritiker mit psychologischem Hintergrund – in seinem ausführlichen Eröffnungsvortrag denn auch plausibel in einigen der Coen-Werke nachweist: Aus der Konstellation von unzulänglichen Sohnes- und unglaubwürdigen Väter-Figuren, begleitet und geleitet immer wieder von einem „guten“ Vaterprinzip, steckt Riepe das Coen-Universum ab, zwischen falschen Entscheidungen, Irrtümern, logischen Fehlschlüssen, Missverständnissen, Zögerlichkeit, Überheblichkeit, Demütigung und immer wieder dem Zufall, der vielleicht die Erfüllung eines selbstverschuldeten Schicksals ist. „Blood Simple“, „Miller’s Crossing“ oder „Fargo“ führt er an für den „verspäteten ödipalen Aufstand“, den die Coens beschreiben. Eine These, die dagegen etwa in „No County for Old Men“ nicht so recht schlüssig erscheint, auch wenn Riepe hier den Vaterbezug der Tommy Lee Jones-Rolle anführt – der freilich recht nebensächlich wirkt (soweit es Nebensächlichkeiten bei den Coens gibt…).

Aber natürlich: Wenn es ums Scheitern geht, dann wird dieses bei den Coens oftmals weitergegeben, in anderer Form vielleicht, von einem Versagermentor zu einem Versagerlehrling; und oftmals begehrt diese Versager-Sohn-Type gegen die Versager-Vater-Type auf: Das steckt drin in dem haarsträubenden Gewirr von Intrigen, Gegenintrigen und Doppel-Hinterrücks-Zurückintrigen, die das dramaturgische Gerüst dieser Filme ausmachen. Ob es ein tragender Balken dieses Konstrukts ist, ist Sache des Betrachters. Riepe jedenfalls hat diesen Aspekt einleuchtend und überzeugend vorgetragen – und ist dabei nie der Versuchung erlegen, daraus eine universelle oder allgemeingültige Beschreibung dessen vozulegen, was einen Coen-Film ausmacht.

Dazu bräuchte es wahrscheinlich mehr als ein paar Filme und einige Vorträge aus dem psychologisch/psychoanalytischen Aspekt heraus, wie es dieses Filmwochenende leisten konnte; aber das Schöne an den Mannheimer Filmseminaren (im Frühjahr) und den Filmsymposien (im Herbst) ist ja, dass der Zuschauer eine Menge Denkanstöße bekommt, um sich selbst mit dem Thema zu befassen und vielleicht auch auf den für ihn jeweils schlüssigen Zugang zu kommen. Man kann sich aus den oftmals klugen Vorträgen dies und das herauspicken – Bausteine für die Coen-Rezeption. Unzulänglichkeit, Scheitern, schwache Figuren, die den fälligen Konflikt aus eigener Schwäche hinauszögern, verpasste Gelegenheiten oder kleine Fehlschlüsse, die mit Hebelwirkung eine Menge Unvorhergesehenes auslösen – das alles beschreibt Riepe sehr anschaulich.

Und der darauffolgende Vortrag der Psychoanalytikerin Mechthild Zeul lässt sich immerhin gut an, mit einem interessanten Ansatz: Sie geht nämlich in ihrem Referat über „Fargo“ von der „Erwartungsverletzung“ aus, wie sie in der psychologischen Säuglungsforschung beschrieben wird: Wenn man einem Baby den Breilöffel hinhält und aus Spaß wieder zurückzieht, dann lacht es – wenn man es richtig macht, mit dem richtigen Timing, mit der richtigen (selbst lachenden) Haltung. Oder aber es weint, weil es nichts zu essen zu bekommen befürchtet… Und ach, was hätte das für ein schöner Vortrag werden können, denn dass die Coens stets für eine Überraschung gut sind, ist ja essentieller Teil ihres Konzepts. Und dass sie Erwartungshaltungen lustvoll hintergehen, auch. Wie tun sie das? Warum reagiert das Publikum nicht mit Frust, sondern mit Lust? Und was sagt das aus über das Verhältnis von Künstler, Erzählung, Rezeption, oder auch werkimmanent: über die Beziehungen der Figuren zueinander?

Doch Zeul belässt es bei dieser anfänglichen grundsätzlichen Fragestellung und enttäuscht die Erwartungen mit einem Vortrag voller Platitüden (inklusiver allzu langer, noch dazu falscher Inhaltsangabe), Redundanzen (indem sie das schon Gesagte wieder und wieder wiederholt) und sogar Widersprüche (indem sie zunächst kurz ein gesellschaftlich-soziales Psychogramm des amerikanischen Volkes umreißt, um später – in einer Diskussion als Entgegnung auf eine ihr widersprechende Äußerung aus dem Publikum – mit Verve zu behaupten: „Das ist doch nur ein Film! Die Coens wollen doch nicht die amerikanische Gesellschaft abbilden! Es ist ja nur ein Film!“).

Traurig, dieser Vortrag; aber zumindest kommt man ins Nachdenken über Erwartungen und die Komik, die sich aus ihrer Subversion ergeben kann – und über das Grat, über das man wandern muss, um als Zuschauer nicht in Frust und Abwehr zu fallen. Das ist sicherlich konstitutiv bei den Coens mit ihren exzessiven Gewalttätigkeiten, die durch Überhöhung und Stilisierung komisch abgefedert werden, mit ihren lächerlichen Charakteren, die unerhört dumme Dinge tun und mit denen man trotzdem – mehr oder weniger, aber immerhin – mitfühlt.

Mit den Vorträgen zu „Barton Fink“ von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger und Psychoanalytiker Stefan Hinz kommt man auf weitere Spuren: Stiglegger beschreibt den Film als „Meta-Noir“, der über sich selbst, über seine eigenen Neurosen, nachdenkt; Hinz bekennt seine Ratlosigkeit angesichts coenscher Rätsel und überdeterminierten Bildern. Weil beide im Film die Unfähigkeit der Figuren zum Zuhören, zur Kommunikation betonen; und weil man zuvor im Rahmen des Seminars „Fargo“ und „The Man Who Wasn’t There“ wiedergesehen hat; und weil darin sowohl Quasselkasper – ob Killer oder Friseur – als auch schweigende Täter – ob Friseur oder Killer – vorkommen, kommt man auf die Idee, ob nicht das Nicht-Zuhören, die Unfähigkeit zur Kommunikation und natürlich, weiter gefasst, die Einkapselung in Selbstbezug das sein könnte, was Riepe auch beschrieb: Entstammen Unzulänglichkeit und Unglaubwürdigkeit, Fehlleistungen und Scheitern vielleicht dem Eigen-Rumwurschteln dieser schrägen Coen-Figuren, die um sich selbst kreisen und gar nicht merken, dass sie andere nicht an sich ranlassen? Gerade im Gegensatz zu den „guten“ Figuren, der schwangeren Polizistin in „Fargo“, dem alten Sheriff in „No Country for Old Men“ oder dem toten Firmengründer in „Hudsucker“, den Riepe ebenfalls anführte – die immer wieder, aber beileibe nicht in allen Filmen, ein Gegengewicht bilden…

Und vielleicht kriegt man ja auch noch die Erwartungsverletzung unter diesen Hut: Weil die Figuren in ihrer Egomanie unberechenbar sind und haarscharf das Unlogische tun…

Und vielleicht ist das aber auch wieder nur so ein Gedanke, der den Coens nicht vollständig auf die Spur kommen kann; weil dabei natürlich die kunstvolle Inszenierung außen vor bleibt – auch hierzu nur Andeutungen von Zeul: Zur Komik, die sie konstatiert, aber nicht näher analysiert oder erläutert, sondern als eine Art ungreifbare Entität zu begreifen scheint… Dabei, auch das wird bei der massierten Beschäftigung im Rahmen des Seminars klar, arbeiten die Coens ganz massiv auf komik-generierende Kontrastwirkungen hin, zwischen Bild und Musik – immerhin das hat Zeul angesprochen –, aber auch immer weitergehend, auf allen Ebenen, von Sprache, von Figuren, von Tun und Nicht-Tun, von Filmzitaten und nostalischen Referenzen, von Philosophie und Nonsens etc…

Nein: Ratlos wie Stefan Hinz bin ich angesichts der Coens nicht. Man kann ja auch das ganze Konvolut, das die Coens mit jedem einzelnen Film, vor allem aber mit der Gesamtheit ihres Œuvres schaffen, umschauen, zu umfassen versuchen, Teilaspekte er- und vielleicht begreifen und das Ganze aber doch vor allem durch seine integrative Widersprüchlichkeit, durch sein kreatives Recyclingsystem, in dem aus Reminiszenzen nicht nur der Filmgeschichte originell Neues geschaffen wird, durch das Ödipale, die Säuglingspsychologie, die Mystifikation und die kommunikative Repräsentation der Kommunikationslosigkeit etcpp. [weitere Ausführungen unleserlich, Anm. d. Hrsg.]


Harald Mühlbeyer

Filmseminar Ethan & Joel Coen in Mannheim

Heute abend geht es los: Zwei Filme der Coen-Brüder, "Fargo" und "The Man Who Wasn't There", bilden
den Auftakt für ein Wochenende mit filmwissenschaftlichen und psychoanalytischen Erkenntnissen in Vorträgen und Diskussionen. Und in anschaulichen Beispielen der Coen-Kunst der bizarren Verwicklungen, der schrägen Charaktere und der schicksalhaften Ironien - in denen, das macht das Werk aus, stets die Realität des menschlichen Seins in einem göttlichen (oder teuflischen) Rahmen feststeht: Weil das Leben selbst skurril und absurd ist.

Es ist das 12. Mannheimer Filmseminar, in dem im Dialog von Filmwissenschaft und Psychoanalyse alljährlich das Werk eines Regisseurs(paares) eingehend und tiefgründend beleuchtet wird.
Alle Infos zum Seminar finden Sie HIER.

Und nächste Woche ein ausführlicher Bericht unseres Screenshot-Reporters auf diesen Seiten...


DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Deutsches Kino auf der Berlinale II)

Sie sind zwar schon rum, die diesjährigen Internationalen Filmfestspiele in der Bundeshauptstadt. Doch zu spät es ist es noch lange nicht, sich dem einen oder anderen Werk zu widmen. Sei es hier oder als Zuschauer im Kino. Denn natürlich starten viele Filme erst noch. DIE GELIEBTEN SCHWESTERN etwa haben ihren regulären Leinwandauftritt am 31. Juli, ehe sie, so sieht es aus, als Zweiteiler im Fernsehen zu sehen sein werden. Rund 170 Minuten dauerte der Streifen auf der Berlinale, doch wie Regisseur Dominik Graf auf der Berlinale-Pressekonferenz mitteilte, wird es eine etwas kürzere Kino- und eine etwas längere TV-Fassung geben. Inhaltlich soll sich die eine von der anderen nicht groß unterscheiden. Doch schon die Kutschenfahrten, überhaupt: das Langsame, das aus unserer Rücksicht „Entschleunigte“ des ausgehenden 18. Jahrhundert macht einen großen Reiz des Films aus – „Sturm und Drang“ hin oder her. Ist also die Kinofassung hier tatsächlich mal nur die amphibische Vorverwurstung für die „originäre“ TV-Variante? Mithin DIE GELIEBTEN SCHWESTERN mal wieder ein infamer Fernsehfilm, der aufgeblasen und zu dessen Verstopfung ins deutsche Lichtspielhaus entsandt wurde, der schnöden Förderungsmittel und des Renommees wegen?

Ach, elendige kritische Frage, die fast so alt anmutet wie die Protagonisten und ihre Zeit. Und mitsamt dem Thema und seiner Emotionalität, so scheint’s, ewig aktuell. Und ebenso berechtigt wie unbegründet. Denn schließlich handelt es sich hier um einen Film von Dominik Graf. Den haben wir schon in ANSICHTSSACHE als Sachwalter eines qualitativ hochwertigen, zumindest aber stets spannenden und eigensinnigen deutschen Films (sowie mithin jenseits der Kluft) zwischen hiesigen Kino und TV gepriesen. Folglich dürfen DIE GELIEBTEN SCHWESTERN in jedem der beiden Dispositive zu eigenem Recht kommen, erzählerisch wie ästhetisch.

Das Zweiteilerische ist den GELIEBTEN SCHWESTERN ohnehin ganz natürlich eingeschrieben. Da ist ein ersterer, lustvollerer Part, in dem Charlotte von Lengefeld (gespielt von der mit bildschönen Katzenaugen und famosem Namen gesegneten Henriette Confurius) nach Weimar zu Ihrer Tante (Maja Maranow – man gedenke Grafs genial teilsurrealistischer Fahnder-Folge NACHTWACHE von 1993!) geschickt wird. Der Ehemann-Findung wegen. Doch der schottische Militär, auf den notgedrungen gesetzt wird, ist es nicht so recht, der fesche Jungschriftsteller Friedrich Schiller (auf der Berlinale auch als Jungpriester in Brüggemanns KREUZWEG zu sehen: Florian Stetter) hingegen tritt zwar charmant und lebensprall auf, dafür aber auch recht mittellos. Hilft nichts, Charlotte verguckt sich in ihn. Ebenso wie daheim in der sommerheißen Provinz ihre Schwester Caroline (nicht zu katzenäugig, dafür Confurius nicht zuletzt der Rolle wegen an die Wand spielend: Hannah Herzsprung). Diese hat zur finanziellen Absicherung der ansonsten langsam verarmenden Familie den Herrn von Beulwitz gezweckehelicht, verdreht nun aber zusammen mit Charlotte dem Dichter in Rudolstadt den Kopf. Oder aber dieser den der Schwestern.

Die zunächst keusch-glutvolle Ménage à trois inszeniert Graf mit vergnüglichem Witz und erstaunlicher Verve, wobei die poetische Sprache jener Zeit erstaunlich bodenständig und natürlich wirkt. Tändeln und Schmachten, Anstand und Etikette, das Ausharren der Schwestern am Fenster, wartend (aber bitte nicht so überdeutlich!), auf dass der Herr Schiller sich dem Schlosse über die Furt nähert – hach, was waren das noch Zeiten, so ohne Massenpresse, Fernsehen, Handy. Kein „#Schillergeil“, keine Facebook-Freundschaft, die SMS noch auf Briefpapier, wortvollendet, schön kaligraphiert und wachsversiegelt.

Sicher: Liebesheirat ist da noch eine Luxus (oder ein Skandal), aber gerade das Steife und Gebotene, Gehrock und Musselinkleid, das kultivierte Französisch, das ist für Graf herrliches Spielmaterial für die drei selbstbewussten Hauptfiguren und ihr Körper. Bei der Pressevorführung im Berlinale-Palast konnten einem die ausländischen Kollegen jedenfalls leidtun, die sowohl vom reclamheftigen Sturm-und-Drang-Zeit-Duktus hier, den Dialekten dort (Schwäbisch oder – beim überragenden, nur von Ferne oder aus der Rückansicht ehrfurchtsvoll präsentierten Dichterfürst Goethe: - Frankfurter Hessisch!) nur mitbekamen, was englische Untertitel so vermitteln konnten (nämlich nichts). DIE GELIEBTEN SCHWESTERN werden dröge eindeutig international zu BELOVED SISTERS.

DIE GELIEBTEN SCHWESTERN – ein, zwar nicht FACK JU, aber immerhin doch ein Philipp Stölzl’erischer GOETHE!? Nein. Zwar tritt auch in DIE GELIEBTEN SCHWESTERN der zweite große Natioinalpoet zwar als solcher nicht sonderlich in Erscheinung, er spielt aber ja auch nur die zweite Geige gegenüber den Frauen und überhaupt: Es geht Dominik Graf eben um die komplexe, komplizierte Liebensbeziehung, ihre Lust, aber auch ihre Folgen und Verletzungen, und das in eleganter, klug inspizierender Form, eine, die den großen historischen wie tragischen Bogen nicht scheut, ohne (allzu sehr) Geschichtstelekolleg oder herzeleidiges Melodram zu werden. Die Graf‘schen Griffe, Sichtweisen und Stilismen, sie fügen sich gekonnt in den Stoff ein (oder dieser wird auf sie hin entfaltet): die ironischen (und als solche vom / im Film selbst ironisch kommentierten) Sprachspiele (die stets auch Gesellschaftsspiele sind in jener Epoche), die Überblendungen, die Standbilder der Protagonisten en face... Und als Schiller – Endlich! möcht man rufen, nach all dem Werben und Verlangen – sich mit Caroline der unerhörten, heimlichen Fleischeslust in Löffelchenstellung hingibt, da hat das trotz (oder wegen) des diskreten Verbleibs der Kamera auf den Gesichtern der Schauspieler mehr aufregende, unverblümte Erotik als alle expliziten Sex-Szenen in Lars von Triers NYMPHOMANIAC VOL. 1 (freilich ein ebenfalls gelungener Film, der auch etwas und von etwas anderem erzählt).

Doch Caroline ist ja schon vergeben; Schiller heiratet also Charlotte, für die wiederum der Gatte aber in ihrer Geschwisterliebe und vor allem aus Dankespflicht für Carolines familiendienlicher Zweckehenopfer doch eben irgendwie der Schwester gehört. Weshalb sie sich ihm quasi innerlich entsagt, zunächst. So kommt der zweite Teil, mithin Schillers beruflicher Erfolg. Professur in Jena, Herausgabe der Horen in Tübingen; das Eheleben nimmt seinen Lauf, Kinder werden geboren. Die Räume, auch buchstäblich in der Inszenierung, die Stuben und Kammern in Jena, in Weimar, im Schwäbischen, sie werden eng und dunkel. Auch die Beziehung der Schwestern geht in die Brüche, zueinander, zu sich selbst. Caroline verlässt ihren Mann, feiert mit ihrem Fortsetzungsroman anonym Erfolge, wird Mätresse. Schiller leidet an schlechter Gesundheit. Geschichte eben.

D. Graf (l.) mit seinen drei HauptdarstellerInnen (Foto: Bavaria)
Auch dieser zweite Part ist gelungen, aber in der Länge des Films dann eben doch düsterer, fragmentarischer, eben nicht so sommerlich-beschwingt, bestechend, charmant; der Liebessommer in Thüringen ist vorbei und man vermisst ihn „hintenraus“, weil er so schön war, so romantisch. Aber so ist es eben, im Leben. Auch das ist Graf hoch anzurechnen, der selbst mit seiner immer leicht nuscheligen, angenehm trockenen Stimme den historisierenden Off-Kommentar spricht: dass er die Wahrhaftigkeit im Träumerischen erhält und umgekehrt, dass er die sachliche Chronik eines dreifachen Lebens und Liebens nicht überhöht, sie nicht überzeitlich (v)erklärt und doch universell nicht zuletzt im Auslaufen hinein ins (auch Sitten-)Historische sein lässt, weiterverfolgt – eine Geschichtslektion, deren erstaunlich moderne private Beziehungsgeschichte sowohl kühle Lerndistanz als auch gleichzeitig nicht große, aber feine erwachsene Anrührung zu erzeugen vermag.

Er kann es also, der Graf nicht nur des Fernsehens, des Polizei- pardon: des Polizistenkrimis und -thrillers, von Im Angesicht des Verbrechens oder zuletzt im stilistisch und inhaltlich überbordenden furiosen München-TATORT „Aus der Tiefe der Zeit“ (Buch: Bernd Schwamm). Doch ist das überhaupt eine Überraschung? DAS GELÜBTE über Dichter Clemens Brentano und die Nonne Anna Katharina Emmerick (mit Graf-„regular“ Mišel Matičević sowie Tanja Schleiff) war auch kein „Schulfunk, Kostümschinken, Erbauungsdrama“, und faszinierende Dreiecksfreundschafts- und -liebeskonstellationen untersuchte er ebenfalls bereits, vor allem in DIE FREUNDE DER FREUNDE (2002, nach Henry James, mit einem Prä-RUBBELDIEKATZ Matthias Schweighöfer, mit Sabine Timoteo und, ja auch hier schon: mit Florian Stetter). Buch für all diese Filme, wie auch zu Grafs DREILEBEN-Beitrag KOMM MIR NICHT NACH, zu Grafs DER FELSEN und seiner Trilogie KALTER FRÜHLING, DEINE BESTEN JAHRE, BITTERE UNSCHULD: Markus Busch. Und alles Fernsehen übrigens.

DIE GELIEBTEN SCHWESTERN, mittlerweile auch mit Verleih in den USA, ist also keine Ausnahme, was das Schaffen Grafs anbelangt, so wie so nicht, gottlob.


DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Regie u. Buch: Dominik Graf)
Kinostart:  31. Juli 2014, Verleih: Senator

Bernd Zywietz   

HOUSE OF CARDS goes viral: Clandestine first look at Season 3 during Oscar® Show!

White House's "Keyser Soze" F. Underwood
behind the "Ususal Suspects"
EXKLUSIV! Screenshot deckt auf!

At the Oscar® Show last sunday Netflix gave a first glimpse of HOUSE OF CARDS third season. Just after season 2 was released on February 14, evil politician Frank Underwood is sure to return – leaving Washington D.C. to make mischief in Hollywood.

According to information leaked from showrunner and writer Beau Willimon’s office, machiavellian mastermind Underwood (played byAward-winning actor, director and producer Kevin Spacey) sets out for shenanigans in democrat ruled Tinseltown, secretly grabbing actress Julia Robert’s behind and snatching Brad Pitts wallet from his back pocket during a public ceremony. This creates trouble with his wife Claire (Robin Wright), who initiates a humanitarian project in Southeast Asia featuring Pitt’s famouse spouse Angelina Jolie.

Emmy-winnig HOUSE OF CARDS Season 3 is scheduled to premiere in 2015 while production is on hold until mid-June due to pending Maryland Tax Credit Bills. Using this delay Netflix hijacked mobile phone manufacturer Samsung’s ad stunt at the 86th Academy Awards show, going viral with Frank Underwood’s newest wicked deeds.

G. Greenwald

Zuletzt bei Screenshot deckt auf!: James-Bond-Schurke ist deutsche Bundeskanzlerin 

Screenshot REGION: Brüggemann mit KREUZWEG in Mainz

Am Freitag, den 21. März zeigt das Mainzer CAPITOL den mit dem Drehbuchpreis der diesjährigen Berlinale prämierten KREUZWEG. Regisseur Dietrich Brüggemann (DREI ZIMMER / KÜCHE / BAD) wird dabei sein und steht dem Publikum im Anschluss für Fragen zur Verfügung. Die Veranstaltung beginnt im 19.00 Uhr. Eine Besprechung von KREUZWEG finden Sie bei uns auf Screenshot HIER.

zyw