Zwei Welten wohnen, ach, in diesem Film - "Descent" mit Rosario Dawson

von Ciprian David

„DESCENT“
USA 2007.
Regie und Buch: Talia Lugaci. Produzenten: Morris S. Levy, Rosario Dawson, Talia Lugaci.
Darsteller: Rosario Dawson, Chad Faust, Marcus Patrick.
Verleih: Splendid
Laufzeit: 100 min
DVD Veröffentlichung: 7.8.2009

Schon mit ihrem ersten Film visiert die Regisseurin Talia Lugacy kein breites Publikum an. Das Leben der Ausnahmestudentin Maya (Rosario Dawson) zwischen zwei Semestern darstellend, lässt sich der Film schnell als eine gesellschaftskritische Konstruktion um das Thema Machtverhältnisse lesen. Essayistisch und abrupt wird der Zuschauer durch die episodisch geschnittenen Szenen aus Mayas Welt geführt.

Maya hat sich als Studentin einen Platz in einer elitären Welt erkämpft. Radikal distanziert von der mittelmäßigen Masse an Studenten schmiedet sie ihre helle Zukunft durch Exzellenz und soziales Engagement. Der Umbruch kommt nach ihrer Bekanntschaft mit Jared (Chad Faust), einem dem Schein nach faden Mitstudenten, der für sie schwärmt. Die Chance, die er aus Mitleid von Maya bekommt, verwendet er zu seinem Vorteil, indem er sie sexuell missbraucht und somit sie ihre Identität und Weltsicht zerstört. Von nun an taucht Maya in eine Unterwelt der Musik, Drogen, Sexualität und Machtstrukturen ein, wodurch sie neu erschaffen wird. Die neue Maya kehrt nach der Sommerpause als Assistentin ins Unileben zurück und arrangiert, eine ebenbürtige Rache im Sinn, ein neues Treffen mit Jared.

Der Film zeichnet das Bild einer gespaltenen Gesellschaft, deren zwei Seiten von je einem Prinzip regiert werden und Auswirkungen aufeinander haben. Auf der einen Seite befindet sich die Welt des Wissens und Denkens, der Karriereerfolge und des Glanzes durch sozialen Status, eine Welt, in der die Macht sich durch Erkenntnis manifestiert. Auf der anderen Seite lässt sich eine von rauer körperlicher Macht regierte Unterwelt entdecken, wo einem Souveränität über andere und Beziehungen zu dieser Souveränität einen Platz in der trophischen Pyramide sichern, eine Welt der rauen Sinne und physischen Gewalt. Diese zweite Welt ist eine der Leidenden und Einsamen, ständig nach Kontinuität und Nähe suchenden Seelen, die ihre Verbindung zu ihren Nächsten über Drogen, Sex, und Musik finden. Vor allem Musik spielt dabei eine sehr große Rolle, denn sie wird zu einem Medium der Transzendenz zum musikalischen Zustand des Ichs, zu einer Öffnung zu den anderen, wie ihn Cioran definiert hat. Der DJ, Adrian (Marcus Patrick), gleichzeitig ein Monument körperlicher Macht, wird zum Erlöser, der die Plattform anbietet für die sich durch ihren Schweiß einigenden, aneinanderreibenden Körper.

So taucht Maya nach ihrer Vergewaltigung in die zweite Welt ein und erobert sich auch hier an der Seite von Adrian eine anerkannte Position. Mit Standfestigkeit in beiden Welten kehrt sie am Ende zurück, als ein Modell der durch diese Transzendenz vereinenden Souveränität der beiden Welten, um ihre Rache zu genießen.

Eine am Anfang des Films noch zu vermutende Auseinandersetzung mit der Position der Frau in der Gesellschaft lässt sich am Ende als eine Aussage über das Individuum als Bestandteil eines sozialen Systems lesen. Die Vergewaltigung Mayas durch Jared hat weit mehr als nur eine sexuelle Dimension, und ihre physische Passivität währenddessen ist der stilistische Ausdruck der Tatsache, daß ihre Abwehrwaffe das Denken ist, das ihre Identität während des Unilebens geformt hat. Und genau diese Identität greift Jared während des Akts verbal an, ihr dadurch die Fragilität eines Individuums zeigend. Ihr Eintauchen in die oben beschriebe Unterwelt wird somit zur direkten Konsequenz davon, ihr ganzer Weg in dieser Unterwelt als Frau, als Begleiterin eines starken Mannes, wird zum Weg der Transzendenz zum Machtmenschen. So schafft sie durch ihren Racheakt ihrem Vergewaltiger genau das zu rauben, was ihn am Anfang des Films überlegen machte, seine Macht als Mann, und gleichzeitig instrumentalisiert sie die Macht, die sie in beiden Dimensionen der Gesellschaft errungen hat.

Das Problem, das der Film mit der letzten Einstellung aufbringt, ist das der Funktionalität des Racheaktes. Die Absurdität der Idee einer potentiellen Selbstheilung durch Rache wird stilistisch meisterhaft umgesetzt durch Mayas ausdruckvoller Blick, als Antwort auf die banale Frage des Mannes, den sie als Racheinstrument gegen Jared einsetzt, nach einem Glas Wasser.
Formell betrachtet besitzt der Film einen essayistischen Charakter, woraus auch seine Stärke entstammt, indem es Brüche in der Handlung und Inszenierung berechtigt. Er bedient sich Szenen lediglich, um Ideen auszudrücken, die Übergänge zwischen den Ideen sind durch Auf-und Abblenden stark konturiert. Unterstützt wird dies durch eine sehr naturalistische Belichtung, mit Ausnahme der transzendentalen Momente in der Unterwelt, die das Problem der Inszenierung solcher Ereignisse zeitgemäß durch eine in Videoclip-Ästhetik stilisierte Mischung von Licht, Dekor und Musik löst. Leider wirken die Dialoge, insbesondere der Smalltalk gegensätzlich zum Rest des Films sehr dumpf und lenkt dadurch den Zuschauer ab.

Die DVD enttäuscht zunächst durch die Gestaltung des Hauptmenüs, wo außer einem schrillen, ungemäß purem Weiß, das den Bildschirm dominiert, der Titel des Films einen Tippfehler aufweist. Jedoch bieten die Extras durch gute Interviews und entfallenen Szenen einen wichtigen Zusatz an Informationen zum Hauptfilm.



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