exground 09 - Kino mal anders: A Wall is a Screen

Gleich im Anschluss zum Eröffnungsfilm konnte man sich auf einem Stadtrundgang der etwas anderen Art zur Eröffnungsparty im Kulturpalast führen lassen: Unter dem Motto "A Wall is a Screen" wurden auf der Strecke zwischen der Caligari Filmbühne und dem Kulturpalast insgesamt sechs Kurzfilme an Häuserfassaden projiziert. Nachdem das Event letztes Jahr etwas im Programm untergegangen war, erfreute es sich in seiner zweiten Runde dank des hervorragenden Timings eines größeren Erfolges. Ausgestattet mit Glühwein und warmen Jacken ließ sich eine erstaunlich große Besuchergruppe von der sehr unterhaltsamen Kurzfilmauswahl mitreißen. Leider ging der erste Kurzfilm im Getümmel nach DESPERADOS ON THE BLOCK unter, doch dafür hatte es der Zweite in sich. Der Australier Nash Edgerton – ein Name, den man sich merken sollte – landete mit seinem Kurzfilm SPIDER den wohl größten Publikumserfolg des Abends. Nach einem Slow-Start wegen vermeintlicher Vorhersehbarkeit erzeugte er unter dem Motto "It is all fun and games until someone loses an eye" unerwarteten Schock und Gelächter, in dem er augenzwinkernd zeigte, wie viel Unheil man mit einer schwarze Gummi-Spinne anrichten kann. Im Anschluss wurde der Humor schwärzer und der Splatter explizierter, als in einer sauberen Reklamewelt ein Ehepaar am Frühstückstisch mit strahlendem Lächeln die vielfältigen Verwendungszwecke von Küchen- und Gartengeräten am Körper ihres Partners präsentieren. Auch im französischen Beitrag BALIBALO lässt Regisseur Marc Andréoni die Fetzen fliegen, als die Begegnung zwischen vier Gangstern und einer Pfadfindergruppe grotesk eskaliert. Mehr Horror als Gelächter erweckte der kontroverse Beitrag des Kanadiers Dave Burns, bei dessen Film ASSWAX der Name Programm ist. Die Reaktionen auf die Vorführung waren zwar durchwachsen, aber wann hat man schon einmal die Möglichkeit, einem Ass Waxing auf einer Wiesbadener Häuserwand beizuwohnen? Den Abschluss am Kulturpalast bildete der irische Horrorfilm THE TEN STEPS, der trotz einer fast schon parodistischen Ansammlung von Genre-Stereotypen für Gänsehaut sorgt und mit einem unerwarteten Ende aufwartet. Besonders rege Anteilnahme rief der Film bei einem Bewohner hervor, der mit einer kleinen Privatshow auf dem Balkon die Stimmung in anderweitig gruslige Bahnen lenkte. Insgesamt bot der Rundgang mit seiner variationsreichen Kurzfilmauswahl einen spaßigen Auftakt zur Eröffnungsparty. Und für alle Interessierte, die ihn verpasst haben, ist es zumindest für Nash Edgertons Highlight SPIDER noch nicht zu spät: der Film läuft im Rahmen des Exground-Festivals nächste Woche noch zwei weitere Male.


Sarah Böhmer