Zeitreise mit Zwergen - "Time Bandits" als 2 Disc Collector’s Edition

von Harald Mühlbeyer

"Time Bandits"

GB 1981. Regie: Terry Gilliam. Buch: Michael Palin, Terry Gilliam. Produktion: George Harrison, Denis O’Brien.
Mit: Craig Warnock (Kevin), David Rappaport (Randall), Kenny Baker (Fidgit), Mike Edmonds (Og), Jack Purvis (Wally), Malcolm Dixon (Strutter), Tiny Ross (Vermin), Ralph Richardson (Supreme Being), David Warner (Evil), Sean Connery (Agamemnon/Feuerwehrmann), John Cleese (Robin Hood), Ian Holm (Napoleon), Katherine Helmond (Mrs. Ogre), Peter Vaughan (Mr. Ogre), Michael Palin (Vincent), Shelley Duvall (Pansy).
Länge: 111 Minuten.
Label: Spirit Media.
VÖ: 30.10.2009


„Time Bandits“ ist – wie fast jeder Terry-Gilliam-Film – über jeden Zweifel erhaben.

Aus Frustration, weil er sein Wunschprojekt „Brazil“ nicht verwirklichen konnte, beschloss Gilliam Ende der 70er, einen Abenteuerfilm für die ganze Familie zu drehen – der aber weit entfernt ist von Familienabenteuern à la Hollywood (oder, noch spezieller und noch schlimmer: à la Disney). Aus dem Kleiderschrank des vielleicht zwölfjährigen Kevin kriechen eines Nachts sechs Zwerge, die ihn mitnehmen auf eine Reise durch alle Zeiten: Die Schöpfung ist unvollständig, es gibt gewisse Löcher und Spalten im Raum-Zeit-Gefüge. Und die Zwerge sind im Besitz einer Karte mit diesen Zeitlöchern und planen große Raubzüge – denn die Flucht ist ja nur ein Zeitloch weit entfernt. So geraten sie zu Napoleon, Robin Hood, Agamemnon – und das ist für Kevin auch eine Reise zu den Heldenfiguren seiner Bücher, die ihm vielleicht gar Elternersatz sein könnten: denn seine leiblichen Erzeuger sind materialistische Hohlköpfe, die sich um nichts kümmern als Küchengeräte und TV.
Doch Kevin erlebt seine Helden ganz anders als in seinen Geschichten: Napoleon hat einen bedeutenden Minderwertigkeitskomplex, Robin Hood ist völlig von der Realität abgehoben; nur Agamemnon scheint eine echte Vaterfigur zu sein... aber da geht es schon weiter, in die Time of Legends. Denn, das ist eine zweite Schiene, die der Film fährt: Die Zwerge werden einerseits von Gott verfolgt, der seine Karte wiederhaben möchte, andererseits vom Teufel, der mit ihr die Herrschaft über die Welt an sich reißen möchte. Und so werden die Zwerge und Kevin hineingezogen in den Kampf zwischen Gut und Böse... Wobei Gilliam auch hier die Erwartungen unterläuft. Kevin steht am Ende alleine da, erwacht in seinem Kinderzimmer in einem Haus, das in Flammen steht; die Eltern explodieren, und Sean Connery, der den Agamemnon gespielt hat, rettet ihn zwar als Feuerwehrmann, fährt dann aber mit einem Augenzwinkern fort.

War das alles also nur ein Traum? Kevins Polaroids von der Abenteuerreise und das Stück Böses, das die Eltern explodieren lässt, beweisen das Gegenteil, möglicherweise.

Gilliam hat mit „Time Bandits“ einen Film geschaffen, der heute leider einigermaßen vergessen ist, sich aber – auch tricktechnisch – durchaus mit heutigen Produktionen messen lassen kann (und damals in den USA der Überraschungshit des Kinojahrs 1981 war): auch ohne Computer Generated Imagery schafft Gilliam eine wunderbare bildgewaltige Fantasy-Welt historischer Welten und grausiger Ungeheuer. Einfallsreiche Plotwendungen und ein souveränes Spiel mit filmischen Stimmungen mischen sich mit intelligenten Diskursen über die Gut-Böse-Dualität und die Ambivalenzen von Traum und Wahrheit, Fantasie und Realität. Und großen Spaß macht das alles noch obendrein!

Nun ist in einer Neuauflage bei KochMedia die 2-Disk-Edition wiederveröffentlicht, die zuvor bei Sunfilm erschienen ist. Neben einem sehr lustigen weil fast völlig sinnfreiem Interview mit Terry Gilliam (der ausführlich seine Füße zeigt) und Terry Jones (der gar nichts mit „Time Bandits“ zu tun hat) und einer Rekapitulation der Produktionsfirma Handmade Films von Ex-Beatle George Harrison (die sich enttäuschenderweise als bloße Trailershow entpuppt) gibt es eine einstündige Dokumentation, die Gilliams Karriere nachverfolgt und, als Highlight, ein halbstündiges Interview mit Gilliam und seinem Co-Autoren Michael Palin, in dem sie ziemlich umfassend auf den Film eingehen – der Audiokommentar der Criterion-Edition von „Time Bandits“ ist auch nicht viel informativer...

Die Doppel-DVD ist also rundum zu empfehlen – und sie hält noch ein unfreiwilliges Schmankerl bereit: Der Übersetzer, der die Untertitel zum Interview gefertigt hat, hat ein Händchen fürs genaue Danebengreifen. Da werden die Napoleonischen Kriege zu den viel abwegigeren Peloponnesischen Kriegen, und „Monty Python and the Holy Grail“ a.k.a. „Ritter der Kokosnuss“ wurde zwar in Wirklichkeit von „Popstars“ wie Pink Floyd und Led Zeppelin finanziert, in den Untertiteln aber von „Pubs“.
Das könnte, wenn wir albern wären, schon der Ausgangspunkt zu Monty-Python-hafter Komik sein: Ein schwerhöriger Übersetzer, der dann abends mit Freunden vom Schwerhörigenclub zusammensitzt und von seiner Arbeit berichtet: „Mensch, wusstet ihr, dass die Pythons ihren ‚Ritter der Kokosnuss’ mithilfe von Kneipen finanziert haben?“ – „Wie bitte? ‚Bitterer Krokus’? Ist das nicht ein Film von Ingmar Bergman?“ – „Wie, was ist mit Ingeborg Bachmann?“ – „Die hat sich mit Seife rasiert!“ – und Übergang zu einer Gilliam-Animation.


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