Adam, wiederauferstanden - „Ein Leben für ein Leben. Adam Hundesohn“ – DVD Special Edition

von Ciprian David

„Ein Leben für ein Leben. Adam Hundesohn“ – DVD Special Edition

Regie: Paul Schrader. Drehbuch: Noah Stollman nach einem Roman von Yoram Kaniuk. Kamera: Sebastian Edschmid. Musik: Gabriel Yared. Produzent: Ehud Bleiberg, Werner Wirsing.
Darsteller: Jeff Goldbloom, Ayelet Zurer, Willem Dafoe, Joachim Król, Veronica Ferres, Moritz Bleibtreu.
Verleih: 3L Filmverleih
Laufzeit: 102 Minuten
VÖ-Termin: 19.11.2009

Extras:
Trailer, Behind the Scenes-Bildergalerie, Artworkgalerie, Bildergalerie von der Europapremiere in Berlin, Interview mit Jeff Goldblum, Making of "Ein Leben für ein Leben", Dokumentarfilm "Konserwacja", Deleted Scenes, Audiokommentar des Regisseurs Paul Schrader, Eindrücke Podiumsdiskussion im Rahmen des Haifa Filmfestival. 2 Disks.


Zur Identität eines Menschen gehören eine Sprache, ein Land, ein Glauben, genauso wie das Selbstverständnis des Menschenseins, in dem wir alle geboren sind. Werden jemandem diese Identitätsmerkmale entwendet, wie im Fall von Adam Stein (gespielt von Jeff Goldblum), so gleitet die ganze Konstruktion Mensch in einen Traum hinüber, der nur noch der Vergangenheit angehört, wie der Anfang des Films durch eine Rückblende deutlich macht.

Die Handlung des jüngsten Films von Paul Schrader kreist um den lustigsten Mann im Vorkriegsdeutschland, den Juden Adam Stein. Zusammen mit seiner Künstlerfamilie begeistert er Abend für Abend im Berliner Zirkus ein immer mehr mit Nationalsozialisten besetztes Publikum, bis es plötzlich heißt, als Jude sei man nicht für eine Gewerbeerlaubnis qualifiziert. Kurz darauf folgt die Deportierung der ganzen Familie nach Stellring. Der Oberbefehlshaber im Lager, Untersturmführer Klein (Willem Dafoe), ein ehemaliger Besucher von Adams Zirkus, erkennt diesen und rettet ihm das Leben. Der Preis dafür: Adam, der alle Tiere imitieren kann, soll als Kleins Hund weiterleben.

Fünfzehn Jahre später lebt Adam als eine Mischung zwischen genialem Mensch und Hund als Insasse des israelischen Seizling Instituts für Heilung von Holocaustopfern. Dort wird ein Junge eingeliefert, der sich für einen Hund hält, und dem die Ärzte nicht weiterhelfen können. Das Aufeinandertreffen der beiden führt zu einem gegenseitigen Heilungsprozess, wonach beide die Anstalt als vollkommene Menschen verlassen dürfen.

Der Film greift zwei fundamentale Fragen auf, im Kontext einer Vergangenheit, zu der der Holocaust gehört: die des Menschenseins und die des Glaubens.
Durch die Erlebnisse von Adam Stein geht der Film auf die Tatsache ein, dass die Juden während des Zweiten Weltkriegs zu Untermenschen erklärt wurden, zu Untermenschen, deren Existenz als Menschen nicht geduldet wurde. Im Kontext der Massenvernichtung wird das Überleben zu einer Laune des Zufalls, den Überlebenden keine Erklärung dafür gewährend, warum sie noch existieren dürfen, während ihre Familien ausgelöscht wurden. Das Recht zur Existenz wird aber von Gott erteilt, ein Gott, dessen Gesetze durch Menschenregeln getilgt wurden. Ein Gott, der seine Chance bekommen hat, seine Gläubigen zu schützen und stattdessen nur als bürokratische Bedingung für deren Erlöschen fungierte, ein Gott, der es versäumt hat im Moment aufzutreten, wo eine größer als er werdende Macht ihn und seine Gläubigen verneinte. Doch dieser Gott, wie Adam Stein sagt, ist gerade essen gegangen und hat ihnen eine Notiz auf dem Arm hinterlassen. Nun müssen sie sich selbst aussuchen, wessen Kreaturen sie sind, und was für welche überhaupt.

Dass die Insassen der Klink sich mit ihren Problemen selbst überlassen sind, wird mehrmals deutlich gemacht. Denn die anderen, die nicht diese Vergangenheit teilen, zeigen kein Verständnis für ihre Krise. Obwohl das Bild der Juden politisch korrigiert wurde, zeigt der Film, wie diese in den Augen vieler Menschen nur ein Stück Seife geblieben sind. Ganz zu schweigen vom Personal der Heilanstalt, das mit Ausnahme des Leiters, Dr. Gross (Derek Jacobi) in den Überlebenden nichts weiter als die Manifestationen ihrer Traumata sieht.

Die Konstruktion der Filmwelt lässt alle diese Aspekte durch die dominanten Auftritte von Adam Stein auf eine Ebene der Subtilität rücken. Durch ein imponierendes, theatralisches Schauspiel verleiht Jeff Goldblum seinem Charakter die in Hinblick auf die Botschaft des Films notwendige Vielseitigkeit. Im Einklang mit seiner Rolle wird auch der Film als Tragikomödie gestaltet, denn die einzig mögliche Umgangsform der Überlebenden mit ihrer Vergangenheit scheint das Lachen zu sein. Wie Adam ihnen in einem Vortrag erklärt, bedeutet Lachen Freude, genauso wie Tränen für Traurigkeit stehen. Ohne Lachen werden sie sterben. So lachen sie alle auf Adams Anweisungen. Und was dabei entsteht, ist ein Lachen, dass durch seine Ehrlichkeit den Zuschauer über ihr existenzielles Ringen um einen Lebenssinn schockierend aufklärt.

Obwohl alles noch ironisch inszeniert zu sein scheint, erweist sich Adams Deklamation beim Betreten des Instituts als programmatisch: er ist da, nicht als Insasse, sondern um die Inkompetenz des Personals zu beweisen, ein Personal, das seine Natur nicht versteht, das nicht annehmen will, dass er ein hoffnungsloser Fall ist, ein Personal gleichzeitig, dass eben nicht jüdischer Herkunft ist, das den Holocaust nicht durchgemacht hat, um ihn aus den Tiefen der Psychen der Insassen entfernen zu können.

So bewegt sich Adam durch das Institut, die Rolle seines Lebens weiter spielend, ohne noch eine Zukunft erwarten zu wollen. Was ihn erfolgreich gemacht, was ihn während des Krieges am Leben gehalten hat, macht ihn jetzt zum Superstar der Heilanstalt, zum Seelenheiler der Insassen. Adam Stein, der ehemalige Hund, der Mann hinter dem Bärenfell im Berliner Zirkus ist der einzige, der es im ganzen Film schafft, die richtige Kommunikationsebene zu allen zu finden. Von den Besuchern seiner Show, über Untersturmführer Klein und seinem Hund Rex, über die Insassen im Seizling Institut bis hin zu dessen Leiter Dr. Gross. In einer Welt, in der als die einzige Therapie für die Holocaustüberlebenden das Ausleben ihrer Traumata angeboten wird, findet Adam Stein mit Hilfe seiner Gabe den Weg in all diesen persönlichen Weltkonstrukten. Seine Kommunikationsebene ist nicht die Sprache, ist nicht die Kommunikation zwischen zwei Entitäten mit definierten Positionen, sondern vielmehr geht es hier im Sinne von Deleuze um seine Fähigkeit, sich der Welt des Gegenübers anzupassen und die Vorstellung dessen über ein Kommunikationspartner zu verkörpern. Trotz seiner ausgeprägten Eloquenz ist das Medium seiner Kommunikation nicht die Sprache, sondern Empathie und Metamorphose. So hat er es geschafft, der lustigste Mann in Deutschland zu sein, so wurde er zum Hund, so ist er der Untermensch, den Oberschwester Gina Grey (Ayelet Zurer) liebt und dessen sexuelle Machtspielen sie sich so leidenschaftlich fügt, so ist er Abe Wolfowitz’ (Joachim Król) Begleiter auf dessem Weg zur Konfrontation mit Gott, und, nicht zuletzt, der persönliche Messias von Rachel Shwester (Hana Laszlo).

Die übermenschliche Erscheinung von Adam ist in Paul Schraders Inszenierung nicht zu übersehen. Durch seine Gabe ist Adam Stein einzigartig. Er ist der Überlebende, dessen Existenz nicht dem Zufall gedankt ist, sondern der Tatsache, dass er die Zeit verstanden hat und entsprechend auf sein Menschsein verzichten konnte. Seine Kommunikationsfähigkeiten hat er aber bewahrt, er liest die Gedanken der anderen, er kann die Erlebnisse der anderen empfinden. Er verfügt sogar über eine übernatürliche Kontrolle über seinen Körper. Er ist ein Genie, gleichzeitig aber ein Hochstapler, ein Freak, eine Monstrosität, der selber über seine Kondition klagt: seine Gabe entspricht nicht den klassischen Berufskategorien, wie die des Mathematikers oder des Komponisten, sondern vielmehr dem Menschenfischer Jesus. So wird er zum Zentrum der Heilanstalt, die Insassen und das Personal um sich bindend. Was aus dem Genie Adam Stein nach dem Holocaust entsteht, ist ein duales Konstrukt, das seiner Identität die Natur des Hundes Adam hinzufügt, von der er sich nicht mehr befreien kann. Die Erfahrung des Holocausts, durch den Menschen zu Untermenschen abgestuft wurden, erfordert ein Umdenken in der Definition des Menschseins.

Die Kondition der Holocaustopfer wird im Film durch drei Kinderbilder verdeutlicht. Das erste Modell ist Naomi, die Tochter von Abe Wolfowitz. Von ihren Eltern vor den Nazis versteckt, verbrachte sie 13 Monate in einem kleinen Kellerraum, wo ihr Körper keinen Platz zu wachsen hatte. Die Metapher des Niederdrückens wird im Film erweitert von Adam, als er zu Gott wegen den Opfern klagt: die Millionen Zähne, Seifenblasen, Tränen, die ungeborenen Kinder, die ungeschriebenen Bücher, die unbeschlafenen Betten.

Das kleine Kind von Ruth, Adams Tochter, gestorben mit seiner Mutter, ist das vom Untermenschen geborene Kind, das direkte Ergebnis der Monstrosität des Krieges, das von seiner Mutter von der Last erlöst wurde, als solches ein Leben führen zu müssen.

Das dritte Kind ist die Personifikation der Idee des Menschen nach dem Holocaust. Geboren in der Kondition, in der Adam dem Krieg entkam, ist er kein Mensch, sondern ein Hund. Obwohl er keine direkte Beziehung zu den Opfern hatte, wird der kleine Junge zum Hund, der kein Hund ist, zum Kind, das kein Kind ist, der dem Menschen, der kein Mensch ist, im Institut gegenübersteht. Das Treffen zwischen dem Jungen und Adam erweckt im letzteren zunächst Eifersucht, denn er ahnt in dem Kind den neuen Star der Anstalt, der seine Natur nicht verleugnet hat, gleichzeitig den potenziellen Neuen, Post-Holocaust-Menschen, der aber das Menschsein nicht annimmt, und somit der einzig Aufrichtige in der Anstalt ist. So entsteht zwischen den beiden eine auf Adams Weise geführte Beziehung: er begibt sich wieder auf die Ebene des Hundes, mit der Erfahrung aber, dass diese Kondition den Nullpunkt der Entwicklung darstellt.

Von hier ausgehend, wird der Junge zum David, David Rex, dem König der Hunde, den gleichen Namen tragend wie der König der Juden, der Gott in einer Kiste in die Stadt gebracht hat, und der den Menschen im Juden wiederfinden wird. Von nun aus erfolgt eine parallele Entwicklung der beiden. So lernen Adam und das Kind, dass eine Sprache, die einst die eigene war, die aber zu der Sprache wurde, die einem das Menschensein aberkannt hat, dass eine solche Sprache vergessen werden muss, und den Platz für eine neu erfundene Sprache räumen muss. Und so lässt der Film die Sprache als Produkt der Kreuzung von Schreibmaschine und Rex entstehen, eine Sprache, in der nach und nach zwischen losen Buchstaben und Zeichenketten Wörter erscheinen.
Während David lernt, aufrecht zu gehen, schafft es Adam nach und nach, seine geniale Natur abzulegen, die ihn gleichzeitig zum Hund machte, und sich somit von allen impliziten Bündnissen und Lasten zu befreien. Der dramaturgische Höhepunkt ist seine Konfrontation mit Gott in der Wüste. Und wer anders ist dieser Gott als sein ehemaliges Herrchen, Untersturmführer Klein, den er aufgibt, um den mit David neu erschaffenen Menschen selber als Mensch zu begegnen.

„Ein Leben für ein Leben, Adam Hundesohn“, steht für die Wiedergeburt und Selbstfindung des Menschen (Adam auf hebräisch), nachdem er das Leben seines Gottes gerettet hat und somit die Rettung seines eigenen Lebens gesichert hat in einer Zeit, wo die Idee des Lebens überhaupt keinen Wert haben konnte, und nachdem er sein Leben als Menschen gegen ein Leben als Untermensch getauscht hat.

Die Special Edition bietet umfassendes Material zum Film. Zusätzlich zum Audiokommentar von Paul Schrader gibt es eine gut ausgestattete Bonus DVD, die außer mehrsprachigem Trailer, Bildergalerien vom Film, vom Set, von der Europapremiere in Berlin, vom Artwork auch entfallene Szenen, ein Making of und ein Interview mit Jeff Goldblum beinhaltet. Dazu gibt es noch Videoausschnitte aus der aufschlussreichen Podiumsdiskussion zu „Adam Hundesohn“ im Rahmen des Haifafilmfestivals, mit Paul Schrader, Yoram Kaniuk, dem Autor des Romans, der für den Film als Vorlage diente, sowie dem Produzenten Ehud Bleiberg, moderiert vom amerikanischen Kritiker David D’Arcy. Nicht zuletzt enthält die DVD den Kurzfilm „Konserwacja“, eine Doku aus der Kunsthochschule für Medien Köln, der die Wichtigkeit der Restaurationsarbeiten im ehemaligen KZ-Lager Auschwitz-Birkenau zusätzlich zur filmischen und literarischen Aufarbeitung der Vergangenheit hervorhebt. Für alle Extras gibt es deutsche Untertitel.


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