Nokan – Die Kunst des Ausklangs - Gewinner des Auslands-Oscars aus Japan

von Elisabeth Maurer

Regie: Yojiro Takita. Drehbuch: Kundo Koyama. Kamera: Takeshi Hamada. Musik: Joe Hisaishi. Produzenten: Toshiaki Nakazawa, Toshihisa Watai
Darsteller: Masahiro Motoki, Ryoko Hirosue, Tsutomu Yamazaki
Verleih: Contentfilm International
Laufzeit: 130 min
Start: 26.11.2009


So wie beim Cellospielen die Bewegung des Bogens nicht ruckartig abgebrochen werden darf, damit der Ton vollständig ausklingen kann und genügend Raum hat, seine Fülle und Wirkung ganz entfalten zu können, so muss auch das Lebensende gefühlvoll und würdevoll gestaltet werden.

Der Cellist Daigo (Masahiro Motoki) verliert seinen Job, als das Orchester, in dem er spielt, aufgelöst wird. Selbst sein neues Cello muss er verkaufen. Begleitet von seiner sehr verständnisvollen Frau Maki kehrt er daraufhin in das von seiner Mutter geerbte Haus in seiner Heimatstadt zurück, um dort Arbeit zu suchen. Die findet er auch, sogar sehr gut bezahlt. Doch sein neuer Chef Sasaki (Tsutomu Yamazaki) führt als Beruf das Nokan-Zeremoniell aus, das traditionelle Herrichten eines Verstorbenen vor der Einäscherung im Beisein der Familie. Daigo fürchtet sich zunächst vor seiner neuen Aufgabe, vor allem vor dem Umgang mit toten Menschen. Außerdem schämt er sich für seinen Beruf, denn es gilt als schändlich, sein Geld durch den Tod zu verdienen. Nicht einmal Maki erzählt er, was er genau tut. Doch mit jeder neuen Zeremonie, bei der er assistiert, lernt er mehr über ihre Bedeutung und Wichtigkeit. Besonders die immer gleiche, fast kompliziert und umständlich ausgeführte Waschung und Ankleidung des Toten scheint den Trauernden durch ihre Würde und ihre meditative Atmosphäre die Möglichkeit zum Innehalten und Gedenken zu geben. Dem Verstorbenen wird durch das anschließende Schminken wieder ein wenig Leben eingehaucht, das lässt die Angehörigen beim letzten Blick auf ihren Lieben Ruhe, Vollendung und Schönheit sehen.

Als Maki dann doch erfährt, was ihr Mann arbeitet, und ihn zum ersten Mal in ihrem gemeinsamen Leben um etwas bittet, nämlich, dass er damit aufhört, kann Daigo ihr den Wunsch nicht erfüllen, so sehr er sie auch liebt. Sein neuer Beruf ist ihm zur Lebensaufgabe geworden. Und als Maki ihm einmal bei der Arbeit zusieht, erkennt auch sie, wie wichtig das Ritual für die Menschen ist. Wie er es auch schon bei seinem Beruf erfahren hat, erlebt Daigo dann auch selbst, dass sogar nach dem Tod die Möglichkeit zur Versöhnung besteht, wenn richtig mit ihm umgegangen wird.

Die Stärke des japanischen Oscargewinners liegt also, so selbstverständlich es auch klingen mag, darin, dass er zeigt, wie wichtig auch die allerletzte Station im Leben eines Menschen ist, für ihn sowie für die Angehörigen. Auch beantwortet er die Frage, wie denn überhaupt mit Verlust und Tod fertig zu werden ist, nämlich, ebenfalls naheliegend, doch nichtsdestoweniger schön und wahr, durch die Liebe. Nach der ersten direkten Konfrontation mit einer Leiche klammert sich der völlig bestürzte Daigo an seine Frau und schläft dann mit ihr, den Tod durch den Akt des Lebens besiegend.

Dass der Film den Zuschauer nicht durch die Schwere des Themas und dem vielen Traurigen, was Daigo bei seiner Arbeit sieht, zu sehr deprimiert, um die Wirkung der Darstellung des Rituals auch auf den Kinozuschauer zu zerstören, liegt daran, dass er wie im echten Leben mindestens ebensoviel Komisches und Skurriles zeigt. Somit wird der Film erlebt als Geschichte nicht so sehr über den Tod, sondern über das Leben, das einen würdigen und passenden Ausklang haben und dessen Ende daher Raum gelassen werden muss.