DVD: „Die Liebe der Charlotte Gray“ - Zu schön, um wahr zu sein



Der Film beginnt mit einem schnellen Kameraflug über blühende Lavendelfelder. Dann, während der Vorspann läuft, sind diese Lavendelfelder aus einem Zugfenster heraus zu sehen. Das Lila ihrer Blüten verwischt zu einem Rauschen, hier kann kein einzelnes Bild fokussiert werden, Innehalten ist nicht möglich. Dann eine Überblendung in eine Großaufnahme des makellosen Gesichts von Charlotte Gray (Cate Blanchett), die vorbeirauschenden Felder im Hintergrund mit flirrenden Lichtreflexen auf ihrer hellen Haut. Dazu ihr Voice-over: „Looking back, it all seems so simple…“. Es handelt sich um eine Szene am Ende der Geschichte. Die Anfangsbilder können als Illustration von Charlottes Erinnern gelten. Zuerst ein Sog, der sie zurückversetzt in ihre Zeit in Frankreich, während dem Krieg. Dann der Strom aus Ereignissen und Zusammenhängen, die damals nicht klar erkennbar waren und auch im Nachhinein wie eine Kette wirrer Entwicklungen erscheinen.

Im Folgenden wird die Geschichte von Charlottes Zeit als Widerstandskämpferin im Frankreich des Zweiten Weltkriegs erzählt. Die Engländerin meldet sich freiwillig als Kurierin in Frankreich, da sie fließend Französisch spricht, den Drang verspürt, mutige Taten zu vollbringen, aber vor allem, weil sie sich in den britischen Piloten Peter Gregory (Rupert Penry-Jones) verliebt hat und ihm nach Frankreich folgen will. Ihr Wunsch verstärkt sich, als sie erfährt, dass Peter abgeschossen wurde und nun vermisst wird. Glücklicherweise liegt ihr erster Einsatzort in der Nähe seines Absturzgebiets, und so erkundigt sie sich sofort bei ihrer Kontaktperson nach dem Verbleib ihres Liebsten. Doch Charlotte muss hier nun die Ernsthaftigkeit des Krieges und die Gefahr des Widerstands erleben, als die Frau, mit der sie sich treffen sollte, vor ihren Augen von den Deutschen verhaftet wird. Der junge Résistancekämpfer Julien (Billy Crudup) kann Charlotte erst einmal Unterschlupf bei seinem Vater verschaffen. Dieser versteckt auch zwei kleine, jüdische Jungen vor den Nazis, deren Eltern schon deportiert sind. Charlotte beginnt sich liebevoll um die Kinder zu kümmern und hilft außerdem Julien und seinen Leuten bei Anschlägen auf Nazitransporte. Dabei wird es immer schwerer, Freund und Feind zu trennen und die Jungen vor den Deutschen zu schützen.

Leider ergeht es dem Zuschauer mit der Handlung so wie mit den Bildern am Anfang. Es baut sich erst am Ende etwas Spannung auf, vorher reiht sich Ereignis an Ereignis, ohne dass sie die Geschichte voranbrächten, und es finden sich auch einige logische Brüche darin. Exemplarisch sei erwähnt, dass sich ein Schullehrer, der Charlotte damit erpresst, das Versteck der Kinder zu verraten, wenn sie nicht mit ihm schläft, von seinem Vorhaben der Vergewaltigung dadurch abbringen lässt, dass sie ihm sagt, sie sei ungewaschen und er solle auf den nächsten Tag warten, wenn sie sauberer sei. Solche und ähnliche Episoden schaden sehr der Glaubwürdigkeit des Erzählten.

Auch die Figuren bleiben recht oberflächlich und eindimensional. So ist zwar Cate Blanchetts ungewöhnliches und einvernehmendes Gesicht sehr oft in Großaufnahme zu sehen, doch erwecken diese Bilder keine Emotionen beim Zuschauer. Ähnlich verhält es sich mit den sehr oft eingesetzten Aufnahmen von Personen, die durch Fenster hinausschauen. Vielleicht soll damit ausgesagt werden, dass die Charaktere in die Welt blicken, doch nicht wissen, wohin ihr Weg führt, und die Zusammenhänge schwer durchblicken können. Der Krieg wirft die Figuren in eine Geschichte, die sie als andere Menschen entlässt. Daher kann Charlotte auch am Ende nicht zu ihrem Geliebten des Anfangs zurückkehren, sondern muss eine neue Liebe suchen. Diese alles verändernde Macht der Geschehnisse wird zwar in den Dialogen teilweise ausgedrückt, die Bilder können aber keine Tiefe, keine Wahrhaftigkeit und keine richtige Stimmung erzeugen.

Nicht, dass die Filmbilder unstimmig oder schlecht komponiert wären. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ausnahmslos jede Einstellung ist umwerfend schön, die verregneten Landschaften, das halbverfallene Schloss von Juliens Vater, die Straßen der französischen Kleinstadt und immer wieder Cate Blanchett in perfekten Kostümen. Es ist wohl gerade diese Schönheit, die der ohnehin dünnen Geschichte schadet und sie endgültig in puren Kitsch verwandelt. Alles wirkt verwunschen und einheitlich, nichts offenbart die wirkliche Zerstörung, die der Krieg in das Land und in die Menschen brachte.
Am Ende bleibt beim Zuschauer die Erinnerung an einen Sog aus schönen Bildern, nicht mehr, höchstens die Wehmut nach der bewegenden Liebesgeschichte in Kriegszeiten, die vielleicht hätte erzählt werden können.

Elisabeth Maurer

Die DVD enthält ein Making Of, sowie Interviews mit den Schauspielern und der Regisseurin.

„Charlotte Gray“, GB, AUS, BRD 2001
Regie: Gillian Armstrong. Drehbuch: Jeremy Brock nach dem Roman von Sebastian Faulks. Kamera: Dion Beebea. Musik: Stephen Warbeck. Produzenten: Sarah Curtis, Douglas Rae.
Darsteller: Cate Blanchett, Billy Crudup, Michael Gambon, Rupert Penry-Jones
Vertrieb: Senator
Laufzeit: 116 min
DVD-Veröffentlichung: 5.2.2010