Grindhouse-Nachlese: „The Human Tornado” und „Disco Godfather” – Schwarzer Humor

Blaxploitation-Doppelnacht im Mannheimer Cinema Quadrat am 29. Mai 2010:

„The Human Tornado”
USA 1976. R: Cliff Roquemore. D: Rudy Ray Moore, Lady Reed, Gloria Delaney.

und

„Disco Godfather”
USA 1979. R: J. Robert Wagoner. D: Rudy Ray Moore, Carol Speed, Jimmy Lynch.

und, nebenbei:

„Black Dynamite“
USA 2009. R: Scott Sanders. D: Michael Jai White, Byron Minns, Salli Richardson-Whitfield.



Am Tag, als Dennis Hopper starb, legte Boris Becker selbstverständlich eine Gedenkminute ein, bevor das Filmprogramm mit zwei Blaxploitation-Filmen begann.

„The Human Tornado“ und „Disco Godfather“ seien, so Becker, der die monatlichen Grindhouse-Nächte im Mannheimer Cinema Quadrat organisiert, im Grunde Partyfilme: der – positiv gemeint – größte Scheiß, der einfach Spaß macht. Und im Grunde einflussreich bis heute: weil sich in beiden Filmen Sequenzen finden, die die spätere Hiphop- und Rapkultur vorwegnehmen, rhyme-battles etwa, die zu den blaxploitationüblichen Pimp- und Machoallüren hinzukommen. Und zudem – womit Becker völlig recht hat – sei der Film „Black Dynamite“ (USA 2009, Regie: Scott Sanders), der nun, im Juli, hierzulande auf DVD herauskommt, im Grunde ein Remake dieser beiden Rudy Ray Moore-Filme.

„Black Dynamite“ ist Hommage und Parodie auf Blaxploitation, eine Handlung um die Figur des Black Dynamite ohne viel Sinn, dafür mit vielen schönen Frauen, protzigen Mackern, coolen Sprüchen, dem Kampf der black community und viele Geprügel, Schießereien, Verfolgungsaction und Kung Fu bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft. Wobei der Witz des Films nicht aufgepflanzt wirkt, sondern aus ihm herauskommt: es geht nicht um die höchstmögliche Gagdichte, sondern um höchstmöglich authentische Gags, die den Geist des Films, den Geist der Blaxploitation nicht verraten: „Black Dynamite“ ist so was wie historisches Re-Enactment des Blaxploitationkinos, ein verdichtet nachgespieltes Best of, ganz im Setting und in den technischen (Un)Möglichkeiten der 70er verwachsen: kunterbunte Polyester- und Pelzklamotten, riesige Schnurrbärte und enorme Afro-Frisuren, grobkörnige Bilder, Kamerawackler und Anschlussfehler en masse – aber das ist nicht nur komischer Effekt, so wie bei Tarantinos und Rodriguez’ „Grindhouse“-Filmen die Filmfehler nicht einfach als Auslach-Witze eingesetzt werden. Dieser Humor, der den Film umarmt, ohne dass es ihm an Biss mangelt: Das machte Rudy Ray Moore schon in „The Human Tornado“ vor.

Es ist der zweite Film mit Dolemite, dem von Moore erfundenen Charakter, der Entertainer und Zuhälter ist, ein Frauenbeglücker, der zuschlagen kann und für die gute Sache kämpft – und wenn er kämpft, dann richtig… Dieser Dolemite ist unübersehbar Vorbild für die Figur des Black Dynamite gewesen – so wie der Film „Black Dynamite“ seine Handlung aus „Disco Godfather“ genommen hat, den Kampf gegen eine Droge, die die Jugend verdirbt.

„The Human Tornado“ stammt aus dem Jahr 1976, als das Blaxploitationgenre schon im Zeitalter seiner berechtigten Parodierbarkeit angelangt war. Blaxploitation war immer Kino gewesen, das die Ideale der Bürgerrechtsbewegung kommerziell verwurstete, um der schwarzen Kino-Zielgruppe eine Menge Hackfleisch auf der Leinwand zu servieren; ernsthafter gesellschaftlicher Diskurs findet sich darin – wie in jedem Exploitationfilm – heruntergebrochen auf die Konsumierbarkeit als Actionware, die niedere Instinkte ansprechen und zugleich großen Spaß machen sollte. „The Human Tornado“ nun nimmt den Spaß wörtlich, der Film spielt mit sich selbst zum Ergötzen seines Publikums: er weiß nicht nur, dass er eigentlich nicht ernstzunehmen ist, er benutzt den Unernst, um eine Komödie über das Blaxploitationkino selbst zu erschaffen, ohne das Genre zu denunzieren – dasselbe Rezept, das über dreißig Jahre später „Black Dynamite“ anwendet.

Eine der großartigsten Sexszenen der Filmgeschichte enthält „The Human Tornado“: Dolemite will die Geliebte eines Gangsters aushorchen und klingelt bei ihr, verkleidet als schmieriger Hausierer. Sie öffnet, großbusig und mit sehr offenem Ausschnitt in weißem Hauskleid. Er bietet ein Nacktgemälde feil, weiße Frau, schwarzer Mann in enger Umarmung; das macht sie geil, sie legt ihre üppigen Brüste frei – Schnitt. Ein bühnenhafter Raum vor buntem Vorhang, sie liegt auf drei überdimensionalen Bauklötzen, auf denen die Buchstaben B, E und D aufgedruckt sind; aus einer großen Spielzeugkiste in der Ecke kommen drei, vier große, nackte, schwarze Männer, sie – inzwischen wieder angezogener als vorher – windet sich in Geilheit, begutachtet wollüstig die Neger-Toys, befindet sich dann weitgespreizt unterhalb einer Rutschbahn, und die vier Stecher rutschen Bäuchlings auf sie drauf – Schnitt weg von diesem feuchten Traum hinein in die Sphäre realer Penetration: sie und Dolemite im Bett, und nun wird klar, was es mit dem Ausdruck „bumsen“ auf sich hat. Er behackt sie, die in höchsten Wonnen schwelgt, Bilder fallen von den Wänden, ein Spiegel zerbricht, die Türe öffnet und schließt sich durch die Wucht des Geschehens. Das Bett wackelt, es dreht sich, Putz rieselt von der Zimmerdecke, ja: die Decke stürzt herab, an einem Stück überdeckt sie die beiden, die sich da begatten, es fliegen Funken, elektrische Leitungen explodieren, und endlich, im Augenblick des höchsten der Gefühle unter diesen Zimmertrümmern, muss sie auf seine rhythmisch hervorgestoßene Frage nach dem Verbleib zweier entführter Mädchen in versmetrischen Anapästen hinausschreien: „In the house on the hill in Pasadena!“

So einer ist Dolemite, solch ein Film ist „The Human Tornado“: radikal und voll menschlicher Nähe.
Dolemite ist erfolgreicher Comedian, der sein radikal Publikum beschimpft und schweinische Witze erzählt, er ist Zuhälter, lässt sich von weißen Damen für Liebesdienste bezahlen, ist nicht zimperlich, wenn er von rassistischen Rednecks verfolgt wird, ist zudem so was wie ein Privatdetektiv und vor allem Kung-fu-Meister. Er hilft Queen Bee, deren Nachtklub / Bordell ein Dorn im Auge des Gangster-Konkurrenten ist, der zwei ihrer Mädchen entführt, am Ende gibt es einen langen, heftigen Kampf, garniert mit einfallsreichen Folterungen im Keller: die eine, kaum bekleidet, bekommt eine Handgranate zwischen die Schenkel und muss auf einem Rohr balancieren, die andere, kaum mehr bekleidet, wird unter einem dornengespickten Brett gefesselt, das auf sie drauffällt, wenn eine Kerze das Seil durchgebrannt hat, das… man kann es sich vorstellen. Dem Bösewicht werden am Ende übrigens die Eier von Ratten weggenagt. Doch das nur nebenbei.

Witzig ist vor allem, dass der Film Witze über sich selbst reißt. Ein gekonnter Sprung des nackten (ja: ganz und gar nackten) Dolemite über eine Hecke, als er in Flagranti mit einer Frau im Bett erwischt wurde, wird in Zeitlupe wiederholt. Und die Kung-fu-Kämpfe am Ende entbehren nicht nur jedes Sinnes, sondern auch jedes kämpferischen Könnens – sichtlich wird hier nur gepost, die Schläge und Tritte gehen dezimeterweit an Köpfen und Körpern der Gegner vorbei, und dennoch, in der Logik des Films, werden so die Bösen total verkloppt. Zudem ist der Film – im englischen Original wohlgemerkt! – schlecht synchronisiert. Dafür tragen die männlichen Protagonisten außergewöhnliche Afro-Haartrachten mit sich herum. Und: Alle, die in dem Film mitspielen, sind von ausgesuchter Hässlichkeit, Männer wie Frauen; bei letzteren wird gottseidank durch permanente Nymphomanie und die fantasievoll ausgestalteten Decolletés die Aufmerksamkeit vom Gesicht abgelenkt.


Rudy Ray Moore hat für seine Filme eine Schar von Schauspielerlaien um sich versammelt, mit denen er seine Werke herunterkurbelte – er war immer auch, manchmal ungenannt, an Drehbuch und Produktion beteiligt. Das professionell eingesetzte Laienhafte kommt „The Human Tornado“ zugute – bei „Disco Godfather“ ist es Teil des Problems.

„Disco Godfather“ von 1979, meint Boris Becker, sei vor allem als Verarsche der Disco-Welle Ende der 70er sehr lustig. Das kann man so sehen – man kann die Tanzeinlagen, die da schwarze Discotänzer aufführen – einmal gar auf Rollschuhen – aber durchaus auch als ernstgemeinte Anbiederung an die populäre Kultur ansehen, eine Stellung, die in früheren Blaxploitationfilmen die Funk- und Soulmusik eingenommen hat – man denke an Isaac Hayes’ „Shaft“-Soundtrack. Ganz selbstverständlich wird auch in „The Human Tornado“ die Handlung – oder was sich als Handlung ausgibt – für Gesangs- und Tanzszenen in diversen Nachtklubs unterbrochen. Zu „Disco Godfather“-Zeiten ist nur eben die Musik schrecklicher geworden, der Umgang des Films mit ihr ist gleichgeblieben, ohne (wie ich es sehe) ironisch-parodistische Brechung.

Das ist ein Kennzeichen des Films: Dass er sich selbst einigermaßen ernst nimmt. Rudy Ray Moore spielt hier nicht mehr Dolemite, den Zuhälter-Helden, sondern den Discoboss und Ex-Polizisten, der hinterm DJ-Pult seinem Publikum rapartig gereimte Aufmunterungen zuruft, und der sich dem Kampf gegen die neue Droge Angel Dust verschrieben hat, weil sein Neffe, nach einer Überdosis halbkomatös im Krankenhaus liegt. Oh ja, schrecklich ist die Droge: Furchtbare Halluzinationen zeigt der Film, von Hexen und Dämonen, da verwirrt sich die Wirklichkeit und man wundert sich, dass der Arm noch dran ist, der einem gerade erst abgehackt wurde. Neben dem logischen Problem, warum eine Droge, die keine Glücksgefühle erzeugt, überhaupt erfolgreich sein kann, hat sich Moores Figur vom Quatsch der frühen Jahre entfernt, er will so eine Art Lehrstück bieten. Und übersieht, dass dort dabei unfreiwillige Komik vorherrscht, wo in seinem früheren Film alles ein selbstironisch-witziges Spiel war. Wäre nicht ein langer, offenbar obligatorischer Kung Fu-Kampf am Ende, der Film wäre ganz verloren. Doch in diesem Kampf gegen die Schurken bekommt der Disco Godfather selbst eine Ration Angel Dust ab, agiert völlig durcheinander und enthemmt zugleich, da vermischen sich für ihn die Bilder seiner Mutter mit der einer Hexe, und im Kampf mit dieser Chimäre setzt er, ohne es mitzubekommen, die Bösewichter außer Gefecht: Das hat echten Witz, der Kämpfer, der gar nicht mitbekommt, dass er kämpft, weil er sich in den freudschen Untiefen des Unterbewusstseins befindet; davon hätte die erste Stunde des Films mehr benötigt.

Diese Lücke füllt 30 Jahre später „Black Dynamite“, der seinen Helden ebenfalls für das Gute kämpfen lässt. Black Dynamit bricht in entsetzte Tränen aus, als er erfährt, dass sogar an Kinder des Waisenhauses Drogen verkauft werden: Das sind doch nur Waisen! Und Waisen haben keine Eltern! Er legt als Ein-Mann-Armee den Drogenring lahm, und nicht nur, weil das mit ständigem ironischem Unterton erzählt wird, sondern auch, weil es eigentlich gar nicht richtig erzählt wird, ist „Black Dynamit“ so was wie die überfällige Korrektur des allzu moralischen „Disco Godfather“. In „Black Dynamite“ wurde, die Outtakes auf der DVD beweisen es, das meiste des Drogenmafia-Plots herausgeschnitten, sprich: im eigentlichen Film finden sich nur noch rudimentäre Spuren, weil kontinuierliche Handlung schon langweilig wäre. Sorgfältig wurden die Szenen, die dem ganzen Plot irgendeinen Sinn geben könnten, weggelassen. Sinnfreie Szenen mit angehängter Prügelei: Das ist es, was das Publikum sehen möchte; was „The Human Tornado“ und „Black Dynamite“ bietet.

„Disco Godfather“, so die Meinung des Mannheimer Publikums, sei bei aller immer noch vorhandenen Albernheit deutlich zu positiv gewesen. Für den 26. Juni versprach Becker zwei durchweg negative Filme: „Terrifying Girls High School: Lynch Law Class Room“, dessen Titel für sich spricht, und einen Überraschungsfilm, vermutlich aus der Frauengefängnisgattung.


Harald Mühlbeyer


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