DVD: “In the Electric Mist” - Der immerwährende Kampf

“In the Electric Mist”. USA, Frankreich 2009, Regie: Bertrand Tavernier


Ob es Bertrand Tavernier gerade durch seine Außensicht als Franzose möglich war, die besondere Atmosphäre des in den USA spielenden Films zu erschaffen, ist eigentlich unerheblich. Entscheidend ist, daß die Krimigeschichte ein Bild der Umgebung um New Orleans entwirft, das zugleich typisch und trotzdem aufgrund seiner Geschlossenheit nicht abgegriffen erscheint. Die Sonne über den Sümpfen, die Geräusche der Tiere in den Mangrovenwäldern, die abblätternde Farbe der Häuser in den Vorstädten, die breiten Straßen, die Schwüle und Gewitter, die Zerstörungen durch die Orkane. Dies alles wird sehr unaufdringlich eingefangen, untermalt von einem hervorragenden, doch nicht ablenkenden Soundtrack aus Blues- und Folknummern.

Cop Dave Robicheaux (Tommy Lee Jones) ist die menschliche Verkörperung dieser Stimmung der Gegend. Altmodisch und dennoch überlebensfähig, hart und trotzdem ein Samariter, irgendwie haftet der Hauch von Vergänglichkeit an ihm und doch ist seine Mission das Leben. Obwohl er in seinen Altmännerhemden und mit seiner oftmals sehr harsch durchgreifenden Art sehr realitätsverbunden wirkt, hat der erfahrende Polizist auch etwas von der Übernatürlichkeit, die dem Ort schon aufgrund seiner verwunschenen Sumpfzwischenwelten eigen ist. Dies wird gleich daran deutlich, dass er bei der Suche nach einem Serienmörder, der junge Frauen grausam verstümmelt, ohne ein wirkliches Indiz gleich im Gespür hat, daß der früher mit ihm befreundete Großkriminelle Julie „Baby Feet“ Balboni (John Goodman) irgendwie zur Lösung des Falls beitragen kann, was sich bewahrheitet. Noch unwahrscheinlicher erscheint ein Zusammenhang zwischen den aktuellen Morden und dem Lynchmord an einem Schwarzen in den 1960er Jahren, dessen Überreste nun durch dem Orkan Katrina in den Sümpfen wieder an die Oberfläche gebracht wurden. Robicheaux fühlt jedoch, daß alles irgendwie verbunden ist.

Die Vermittlung zwischen den einzelnen Episoden und Stationen seiner Arbeit erfolgt durch seine Voice-over-Kommentare, die auch den Sprachstil der literarischen Vorlage von James Lee Burke wiedergeben. Vor allem aber unterstreichen sie die Atmosphäre des Films und machen ihn gleichzeitig zu einer Südstaatenkrimigeschichte mit altmodischem Flair. Außerdem verleiht Robichaux ihr eine gewisse Tiefe, denn er schildert nicht einfach das Geschehen, sondern seine Gefühle und Gedanken. Diese Ebene des Voice-overs weitet sich auf die Handlung aus, als Robicheaux in den Sumpfwäldern einen General der Südstaatenarmee sieht, offenbar ein Geist, sich später in dessen Lager bewegt und sich mit dem Mann und seiner Soldatentruppe aus längst vergangenen Zeiten unterhält. Es wird sogar eine Fotografie zusammen mit den Gespenstern gemacht, die beweist, daß die Figuren keine Einbildung des Polizisten sind. Die Qualität des Films zeigt sich darin, daß die Geisterthematik nicht großartig ausgebreitet oder dramatisiert wird. Der Südstaatengeneral verkörpert den immerwährenden Kampf für Gerechtigkeit, von dem Robicheaux ein Teil ist.

Die Essenz aus der Stimmung dieser Südstaatengegend und der Figur von Robicheaux ist eben gerade dieses Nebeneinander von Leben und Tod und die ständige und ewig fortdauernde Verbindung von Vergangenem und Zukünftigem. Da muss gar nicht mehr viel über die Krimigeschichte gesagt werden, die mit Hilfe der Vergangenheit und ihrer Geister gelöst werden kann. Dieser Film zieht den Zuschauer in eine sehr intensive melancholische, nostalgische und doch hoffnungsvolle Stimmung ,ohne dabei kitschig oder aufdringlich zu wirken. Ein wahres Filmerlebnis.

In dem halbstündigem Making Of der DVD kommen alle Hauptdarsteller sowie Kameramann und natürlich Regisseur zu Wort. Sie sprechen recht tiefgehend, persönlich und offen über die Herangehensweise an den Stoff, die Arbeit miteinander und ihr Verständnis des fertigen Films. Es wird darin deutlich, dass entscheidende Triebfeder Tavernier war, jedoch auch vor allem Jones großen Anteil an der Gestaltung des Films hatte, er schrieb sogar einige Dialoge selbst. Außerdem befinden sich entfallene Szenen in den Extras, an die eine Musiksession angehängt ist, in der der talentierte John Goodman kurz singt.

Es sei noch dem Publikum ans Herz gelegt, den Film in der sich auf der DVD befindenden Originalversion zu sehen, denn selbstverständlich stellt das besondere Amerikanisch Louisianas ebenfalls einen wichtigen Aspekt der Stimmung dar.


Elisabeth Maurer



“In the Electric Mist”.
USA, Frankreich 2009. Regie: Bertrand Tavernier. Drehbuch: Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski nach dem Roman von James Lee Burke. Kamera: Bruno de Keyzer. Musik: Marco Beltrami. Produzenten: Frédéric Bourboulon, Michael Fitzgerald.
Darsteller: Tommy Lee Jones, John Goodman, Mary Steenburgen.
Vertrieb: Koch Media
Laufzeit: 112 min
Veröffentlichung: 28.5.2010

Extras: Making Of, geschnittene Szenen, Trailer


Diesen Film können Sie bequem in unserem Online-Shop bestellen: als DVD ebenso wie als Blu-ray.