Im Kino: „Somewhere“ – Süß-saures Nichtstun

„Somewhere“, USA 2010, Buch, Regie: Sofia Coppola, Kinostart: 11.10.2010.


Mit dem schwarzen Ferrari geht’s über die Rennstrecke in der Wüste, von der wir in starrer Kameraeinstellung nur einen Teil sehen, rum und rum und rum, drei, vier, fünf Mal: mit der Anfangseinstellung macht Sofia Coppola klar, worum es geht: im Kreis herum fahren, aus Langeweile irgendwas machen, sich treiben lassen, wobei nichts passieren wird, jemals.

Johnny Marco ist Hollywoodschauspieler, keiner der großen Stars, eher obere Mittelklasse, der in seinem Hotelzimmer im Chateau Marmont in L.A. residiert und sich zu zerstreuen sucht. Das porträtiert Coppola recht gut: wie er gelangweilt zwei Zwillingsstripteasetänzerinnen zusieht, die aufreizend, kaum bekleidet an Stangen in seinem Zimmer herumturnen und eher Akrobatik denn Erotik versprühen; danach; mit professioneller Routine ihre Stangen auseinandernehmen, in die Tasche packen, mit Schulterzucken gehen. Immer wieder bietet Coppola solche Nachklapp-Scherze voll unverblümter Lakonie: nach einem Fotoshooting sieht man Johnny verloren auf einem kleinen Holzpodest stehen, das ihn gegenüber der Co-Schauspielerin größer machen soll. Manchmal wird das auch recht platt, wenn Johny bei einem seiner Gelegenheitsficks einschläft.

Johnny sucht Zerstreuung, wo immer es geht in seinem öden Leben als VIP, er nimmt, was sich ihm bietet – das sind eine Menge schöner Frauen, die ihm Angebote machen. Ab und zu muss er arbeiten: Im Special-Effects-Studio wird er in eine Gipsmaske gesteckt für einen Kopfabdruck, endlos lange. In einer Pressekonferenz muss er die blödsinnigsten Journalistenfragen beantworten.
In dieser Szene – auch wenn sie überspitzt ist – zeigt sich der unbedingte atmosphärische Realismus des Films: als Journalist auf Filmfestivals weiß man, dass es genau so zugeht bei Pressekonferenzen, die nur dazu da zu sein scheinen, mit einer größtmöglichen Bandbreite dummen Geschwätzes den Berufsstand des Journalisten öffentlich zu demontieren: dass Coppola dies so genau einfängt und wiedergibt, spricht dafür, dass auch der Rest des Films der Wirklichkeit entspricht, einer Wirklichkeit, die wir sonst nicht zu Gesicht bekommen: das unglaublich banale Leben eines Schauspielers, der hinter der öffentlichen Fassade alles andere als Glamour versprüht. Hier ist er, wie er wirklich ist: als Person völlig uninteressant.

Irgendwann ist Johnnys Tochter da, die elfjährige Cleo, das bringt ihm etwas Abwechslung, dass er jemanden hat, um den er sich liebevoll kümmern kann. Mit Johnny als liebendem Vater kommt eine neue Facette ins Spiel: aber auch keine Handlung in diesen Film. Das ist natürlich gewollt und Programm, im Leben passiert nun einmal nichts; und es wäre viel zu kurz gegriffen, Coppola die Verbreitung von Langeweile vorzuwerfen, nur weil sie die Langeweile im Leben von Leuten wie Johnny zeigt.

Das Zeigen von Nichts ist freilich nicht sehr populär, nicht sehr publikumsaffin, und auch wenn Coppola sehr atmosphärisch ist – an den ähnlich gelagerten „Lost in Translation“ kommt „Somewhere“ allerdings nicht heran. Vielleicht ist das Milieu doch zu sehr aus einem Hollywood-Insider-Blickwinkel erzählt; vielleicht verrät sie gar ihren Ansatz am Ende, als sie so etwas wie Selbsterkenntnis bei Johnny andeutet, der voll Selbstmitleid ins Telefon heult, dann alles zurücklässt, auch den Ferrari, der piepsend am Straßenrand stehen bleibt. Vielleicht geht sie auch einfach nicht weit genug ihn der Zelebrierung von Langeweile und Redundanz: nach fünf Runden steigt Johnny aus, in der Anfangsszene, stellt sich neben den Ferrari – Coppola hätte ihn nochmals einsteigen und nochmals zwei Runden fahren lassen und diese radikale Haltung des „Immer mehr von wenig“ im ganzen Film durchhalten müssen. Wenn schon, dann auch wirklich endlos lange immergleich im Kreis fahren. Wenn schon Verweigerung von Handlungsfortschritten und Figurenentwicklung, dann richtig.

Harald Mühlbeyer




„Somewhere“
USA 2010. Buch, Regie: Sofia Coppola. Kamera: Harris Savides. Musik: Phoenix. Produktion: G. Mac Brown, Roman Coppola, Sofia Coppola.
Darsteller: Stephen Dorff (Johnny Marco), Elle Fanning (Cleo).
Verleih: Tobis.
Länge: 98 Minuten
Kinostart: 11.10.2010.