"Nemesis" im Babylon

Knapp ein Jahr nach der Uraufführung bei den Hofer Filmtagen wird Nicole Moslehs Film "Nemesis" nun, am 6.10.2011, in Berlin im Babylon-Kino seine zweite Premiere erleben. Um 20.15 Uhr werden am Donnerstag neben der Regisseurin auch viele der Teammitglieder und Schauspieler anwesend sein: u.a. Susanne Lothar, Waldemar Kobus - nur einer wird schmerzlich fehlen: Ulrich Mühe.

Denn "Nemesis" ist der letzte Film des im Juli 2007 verstorbenen Schauspielers; und zusammen mit Susanne Lothar glänzt er in diesem Ehe-Kammerspiel-Thriller.
Der Film wurde schon 2006 gedreht, es gab einige - wenn ich mich nicht irre - rechtliche Probleme, bis der Film aufgeführt werden konnte. Uraufführung in Hof, auf Halde liegen, jetzt Berliner Aufführung - und die holprige Geschichte dieser Produktion geht weiter: weil einige Verleiher abgesprungen sind (teilweise, weil der Film erst so verspätet gezeigt werden konnte, weil daher die Zugkraft des Filmes als Mühes Nachlass nachließ) ist auch die weitere Zukunft ungewiss. Wahrscheinlich Fernsehen, kleine DVD-Auswertung und dann das Vergessen im Müllhaufen der Filmgeschichte. Was schade wäre, denn der Film ist nicht nur wegen seiner Schauspieler sehenswert. Und wer weiß, wie lange es dauert, bis der Film nochmal irgendwann, irgendwo vorgeführt werden wird...

Zitat aus meiner Hof-Berichterstattung vom letzten Jahr:

Das Ehedrama wird zu Krimi und Psychothriller, Mühe und Lothar spielen ein Ehepaar in Trauer, die Schwester der Frau wurde grausam ermordet, er hatte ein Verhältnis mit ihr gehabt, nun, Monate später, will er sie endlich verlassen, die ihre Trauer nie überwunden hat, das Haus soll verkauft werden; doch sie kommen nicht voneinander los, sie sind nicht frei: der Mörder wurde nie gefasst, die Vergangenheit nie bewältigt, so kann es keinen Weg in die Zukunft geben.

2006 schon gedreht, ist dies der letzte Film mit Ulrich Mühe, der herauskommt – und noch einmal zeigt sich sein unglaubliches Können, vor der Kamera völlig natürlich, unprätentiös, vollkommen glaubwürdig zu agieren. Was auch für Susanne Lothar gilt, die ihm in nichts nachsteht – weder als Schauspielerin noch in ihrer Rolle. Ein Kammerspiel für diese beiden, die mit größter Sensibilität und größter Intensität spielen. Und Nicole Mosleh weiß auch dramaturgisch Spannung und Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten, verschachtelte assoziative Rückblenden tragen zur Suspense ebenso bei wie das Haus, in dem der Film spielt, wie auch die Musik, die sich einfügt, die Akzente setzt.
Leider ergeht sich der Film etwas zu sehr in der Verzweiflung wegen des unaufgeklärten Kriminalfalles; so dass er in seinem letzten Drittel eben doch zu vorhersehbar wird, was die Handlung angeht. Was das Spiel der Darsteller betrifft oder die subtilen Regieeinfälle: da bleibt es spannend bis zum Schluss.

Harald Mühlbeyer