FddF LU: Beste Filme #3: "Am Ende des Tages"

Erstmals laufen auf dem Ludwigshafener Filmfestival auch nicht-deutsche Filme: Aus dem befreundeten Ausland nämlich, und das ist nur konsequent, ist doch beispielsweise die österreichische Kinematographie der letzten Jahre insgesamt weit interessanter als die deutsche. "Die Vaterlosen" läuft hier, ein Film über Hippiekommune und Väterlichkeit. Und aus der Schweiz "Mary & Johnny" eine interessante Version von Horváths "Kasimir und Karoline", verlegt aufs Zürifescht 2010, während der WM.

Und: Peter Payers "Am Ende des Tages", ein österreichischer Thriller, der es in sich hat. Simon Schwarz, der Bertl aus den Brenner-Krimis, spielt einen aufstrebenden Jungpolitiker namens Robert mit besten Aussichten auf einen Sitz im Nationalrat. Vor Wahlkampfbeginn nochmal ein romantisches Wochenende in den Bergen mit der schwangeren Frau Katharina - doch der Wochenendtrip wird gestört von einem Verfolger im alten Opel. Der drängt sich auf, gibt Lichthupe, bleibt hart auf der Spur - es ist Wolfgang, Roberts alter Schulfreund, ein Kleinkrimineller. Der scheint irgendwas zu wissen, macht Andeutungen, belästigt sie, weiß auch genau, wo sie immer stecken: dass er sie per GPS-Tracker verfolgt, erfahren sie erst viel später.

Irgendwann ist Wolfgang als Frau gekleidet, geschminkt in zerrissenem Kleid und BH, eine groteske Erscheinung, zumal in Verbindung mit seinen Knacki-Tattoos. "Wo ist die kleine Manuela?" - eine Frage, die sich auch Katharina stellt, zu der Robert nur Ausflüchte einfallen. Immer drängender wird das Geheimnis, immer bedrängender Wolfgang; und irgendwann kommen die schlimmen Jugendsünden raus, immer mehr und immer schlimmere...

Das ganze ist übrigens eine einzige lange Verfolgungsjagd durch schönstes Bergpanorama; dazu kommen ständige Handytelefonate Roberts mit seinem politischen Mentor; dazu kommt seine ausgestellte Liberalität, seine Volksnähe - aber klar: das geht als erstes zum Teufel, man kann ja auch kaum freundlich sein zu den Leuten, wenn unter der Windschutzscheibe tote Meerschweinchen stecken. Wie er ein Interview ausgerechnet in dieser Situation hält, inklusive Ausbruch gegen die parlamentarische Quasselbude, gegen die Journaille und gegen die Interviewerin mit ihrem depperten Doppelnamen, das ist ganz großes Kino. Und wie Peter Payer immer tiefer dringt, Schicht für Schicht abträgt, bis von Robert, von der Politikerkaste, von der Humanität nichts mehr übrig ist: Das könnte im deutschen Film nie passieren; zumal nicht in Form eines Genrethrillers.

Man darf nicht vergessen, dass in Österreich seit ein paar Monaten eine heftige Korruptionsaffäre brodelt, die alles umfasst, was im Wiener Politbetrieb sich umtreibt - der Film ist also nicht nur zwingend stringent in Handlung, Dramaturgie und (bitterer) Weltsicht, sondern fußt auch noch auf der Realität. Was alles noch schlimmer - sprich: was den Film noch besser macht.

Obwohl er schon im letzten Sommer in Österreich angelaufen ist, hat "Am Ende des Tages" selbstverständlich noch keinen deutschen Kinostart. Man muss ja Leinwände freihalten für das deutsche Mittelmaß, das wegen Fördergelder zwingen im Kino laufen muss.

Harald Mühlbeyer