Grindhouse-Nachlese September 2013 – Sieben auf einen Streich

28. September 2013, Cinema Quadrat Mannheim: Grindhouse Day & Night


„Daikaijû kettô: Gamera tai Barugon" / „Gamera vs. Barugon“, Japan 1966, Regie: Shigeo Tanaka

„L’uomo che viene da Canyon City“ / „Die Todesminen von Canyon City“ / „Keine Gnade für Verräter“, Spanien, Italien 1965, Regie: Alfonso Balcázar

„Double Nickels“ / „Mit Vollgas durch die Hölle“, USA 1977, Regie: Jack Vacek

„Enter the Ninja“ / „Ninja – Die Killer-Maschine“, USA 1981, Regie: Menahem Golan

„Linda“ / „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“, Spanien, Deutschland 1981, Regie: Jess Franco

„Nightmare in a Damaged Brain“ / „Nightmare“, USA 1981, Regie: Romano Scavolini

„Trouble Man”, USA 1972, Regie: Ivan Dixon


Sieben Filme in vierzehn Stunden sind per se schon mal keine schlechte Bilanz. Wenn von diesen sieben Filmen ganze vier gut sind, dann ist das unterm Strich mehr, als man erwarten könnte – zieht man in Betracht, dass es sich bei all diesen Filmen um Trash handelt, um genau die Schundware, die unsere Jugend verdirbt. Und zwar unsere Jugend seit den 1960ern! Kein Wunder, dass die Welt ist, wie sie ist!

Wobei auf verquere Weise natürlich auch und gerade Grindhouse-Filme den Finger auf die Wunden der Zeit legen; deutlich im ersten guten Film, „Gamera vs. Barugon“. Der zweite Teil der Gamera-Filmreihe, ein Konkurrenzprodukt zum erfolgreichen Godzilla, in dem dankenswerterweise die ersten Minuten ein „Was bisher geschah“ destillieren: Kampfflugzeugabsturz in der Arktis, versehentlich geht eine Atombombe los, zack: Gamera wird freigeschmolzen und zerstört Japan. Gamera: Das ist eine feuerspuckende Riesenschildkröte; wenn sie die Füße einzieht, kann sie durch die Löcher in ihrem Panzer per Düsenantrieb fliegen, das ist sowas wie eine fliegende Untertasse. Nur in lebendig und echt. Im ersten Film war sie am Ende auf den Mars geschossen worden; durch eine wirklich unglückliche Asteroidenlaufbahn wird sie zurückgeschleudert und macht erstmal einen Staudamm kaputt. Die Arbeiter und Ingeniere rennen panisch umher, der Vorgesetzte gibt Anweisungen: Am Tor fünf den Strom abschalten! (das wird innerhalb weniger Minuten gleich zweimal angewiesen), nützt aber nichts, Katastrophe ist nicht aufzuhalten. „Wir haben getan, was wir können“, seufzen die Opfer, und man weiß nach dieser Szene, wie es seit März 2011 in der Tepco-Zentrale zugeht: die Unteren tun nichts, die Oberen befehlen nur Unsinn, und alles ist Schicksal. Jaja, die japanische Mentalität.

Gierig sind die Schlitzaugen übrigens auch. Zwielichtige Typen unternehmen eine Expedition nach Polynesien – und das hat jetzt erstmal gar nichts mehr mit Gamera zu, der wahre Fan wird sich jetzt zu langweilen anfangen; denn die Superschildkröte hat sich in einen Vulkan zurückgezogen und wird nur noch zu zwei Szenen später im Film auftauchen (dann aber mit Macht…). Jedenfalls ist jetzt Abenteuerfilm angesagt, ein Opal in einer geheimnisvollen Höhle voller giftiger Skorpione im Tal der Regenbogen; ein Tabu-Ort für die Eingeborenen, zu denen glücklicherweise auch ein japanischer Arzt und seine hübsche Krankenschwester gehören. Jedenfalls: Merken muss man sich Onodera, das ist der böse Gierhals, der über Leichen geht; und Keisuke, der Gute unter den Zwielichtigen, der aber erstmal verletzt zurückbleibt. Während Onodera den Opal mit nach Japan nimmt, dummerweise das Infrarotlicht in seiner Kabine anlässt – und sich der Opal als Ei entpuppt. Ein Ei, aus dem Barugon schlüpft, seines Zeichens Monsterechse mit Riesenzunge, aus deren Spitze er einen Kältestrahl schießen kann. Rasch wird Kobe zerstört.
Dann geht es ins Landesinnere, währenddessen killt Onodera noch ein paar Leute auf der Suche nach dem vermeintlichen Opal, Keisuke tritt auf, im Gefolge hat er die Krankenschwester, er und Militär und Wissenschaft suchen nach Wegen, dem Monster beizukommen, die Gier Onoderas ist ein bisschen im Weg dabei und so weiter – das ist ja auch alles egal, wichtig ist: Bei Bedrohung aus der Ferne entsendet Barugons Rücken einen Regenbogen als Fernwaffe, der zum Beispiel japanische Kanonen zum Schmelzen bringt. Also: Für die Nähe Kältestrahl, für die Ferne Regenbogen. Im Übrigen ist er wasserscheu, wenn man Barugon mit Wasser bespritzt, bewegt er sich nicht mehr, das ist ganz OK, weil zu diesem Zeitpunkt der Film eh auf der Stelle tritt.
Die Echse liebt auch das Leuchten von Diamanten. Die Diamantentrategie funktioniert trotzdem nicht, 5000 Karat sind zuwenig, man muss die Brillanz verstärken mit einer Maschine, die eigentlich zur Generierung eines Todesstrahls mittels eines Rubins dient. Zwischendrin übrigens tritt Gamera auf, um das Durcheinander perfekt zu machen: Er wurde von der Energie des Regenbogens angelockt, wird nach einem heftigen Kampf der Supermonster aber schockgefroren.
Später versuchten die Militärs es mit der Operation Rückspiegel: Eine Parabolantenne mit Quecksilber-Bespiegelung soll den Regenbogen aufs Monster zurückwerfen, was nur halb gelingt. Als deus ex machina muss Gamera wieder auftau(ch)en, um im Endkampf die Katastrophenechse zu ersäufen. Und dann zu verschwinden, bis zum nächsten Film der Gamera-Reihe.

In der aufsteigenden Reihenfolge des Spaßfaktors folgt nach diesem Matinee-Film die Spätnachtvorstellung: Blaxploitantion mit dem „Trouble Man“, sprich: Mr. T, der im Kiez der gute König ist. Im Billardsalon hält er Hof und regelt die Dinge – gegen einen geringen Obulus seiner Untertanen. Der Bruder von einem wieder mal im Knast? T. kann die Kaution stellen; aber wenn die flöten geht, dann geht’s dem Halunken ans Leder! Ein Mietshaus in so schlechtem Zustand, dass ein Kleinkind durchs marode Treppengeländer fällt? Kurzer Besuch beim (weißen) Immobilienverwalter, und seine starke Präsenz und sein einnehmendes Charisma überzeugen, der Bonze spurt: Besuch im Krankenhaus, Übernahme der Kosten und Versprechen, das Haus zu sanieren… Klar, dass T. auch ein super Billardspieler ist, der damit locker aus dem Handgelenk ein paar hundert Dollar nebenbei einnimmt.
Auftritt Chalky. Der hat illegale Glückspiele laufen, auf der „schwarzen“ Seite der Straße kontrolliert er, auf der „weißen“ der Kompagon Pete: Diese abendlichen Pokerrunden werden regelmäßig überfallen, T. soll herausfinden, warum, für 10.000 Dollar. T., selbstredend mit Privatdetektivlizenz ausgestattet, macht sich an die Arbeit – und wird verwickelt in einen Mordfall, in Täuschung, in einen Bandenkrieg, inmitten der Fronten zwischen Kiez und Cops, zwischen schwarz und weiß.
Einen tollen Plan haben sich Chalky und Pete ausgedacht: Sie fingieren einen Überfall auf die eigene Pokerrunde, einen fetten Typen in blauem Anzug nehmen sie als Sündenbock, der von hinten erschossen wird. Wie sich herausstellt: Einer der Handlanger von Big, einem weiteren Kiezgranden, dem sie damit nicht nur die angeblichen Überfälle in die Schuhe schieben, nein: auch T. gilt plötzlich als Mörder. Zumal die Polizei ihn eh auf dem Kieker hat: Dreihundertdollar-Anzüge, aber keine richtige Beschäftigung, und zudem Lizenzen für alles, vom Waffenbesitz bis zum Diamantenhandel…
Ist das nicht eine dolle Noir-Konstellation? T., der gute, einsame König, an dessen Stellung gerüttelt wird – von denen, die er für Freunde hielt, und von der Polizei, der er fast schon zu viele Schnippchen geschlagen hat. Er bekommt die ganze Schuld des Schwarzen- und des Weißen-Ghettos auf seinen Schuldern geladen und muss mit dieser Bürde zwischen den Fronten zu tanzen beginnen.
Gefilmt ist das im bunten Blaxploitation-Stil, aber ganz ohne Albernheiten, sondern straight auf die Spannung zielend, und auf die Rachevorbereitungen von T., der alles recht schnell durchschaut. Der aber zuvor noch einen weiteren Mord, nämlich den an Big persönlich, ummodeln und seinen Kumpel und seine Freundin in Sicherheit bringen muss. (Apropos Freundin: Die ist ihm hörig, er gibt ihr Befehle, sie fragt nicht, sondern führt aus. Ihre Tätigkeiten: Sie singt, spielt Klavier, liest Zeitschriften. So war das damals in den 70ern!)
Wie T. sich nun einschleicht bei Chalky, einen Handlanger nach dem anderen tötet, sich dann aufmacht zu Pete ins weiße Viertel, sich das Hochhaus ins Penthouse hocharbeitet, wo Schurken mit großen Wummen auf ihn warten: Das hat was, gerade weil es weniger als Superhelden-Rache inszeniert ist, sondern als die Notwendigkeit des Königs, sich auf dem Thron zu halten; eines Königs, der unwillentlich in eine Fehde geraten ist, der benutzt wurde und nun mal nicht anderen, sondern sich selbst helfen muss. Und helfen kann. Auch wenn es diesmal keinen direkten Profit bringt.

„Nightmare in a Damaged Brain“: Ein fieser Film, der sich ins Gehirn des Zuschauers hineinwindet und dort sitzen bleibt wie eine Trichine im Speck. Kein Wunder, dass er als Video nicht vertrieben werden darf, Paragraf 131 etc. Ein Glück, dass wir hier im Kino sitzen. Und dass wir in den Genuss einer 35mm-Kopie kommen, zur Verfügung gestellt von einem fanatischen Sammler, der den Film in allen, wirklich allen Erscheinungsformen besitzt (außer vielleicht das britische Master für die VHS-Produktion).
Ein völlig geschädigtes Gehirn, ein Film über die Psyche eines Psychopathen, in die der Zuschauer nolens volens hineingeschleudert wird. Ein Alptraum – direkt zu Filmbeginn: Der abgehauene Kopf einer Frau, blutig auf der Bettdecke, und sie schlägt die Augen auf. Purer Horror für George Tatum, der schreiend erwacht. Und vom Psychiater befragt wird. Und medikamentös ruhiggestellt wird. Und wieder einschläft. Und wieder alpträumt. Während in Florida, in einem kleinen Häuschen, ebenfalls der Horror zuschlägt, für die Babysitterin, die vom zehnjährigen Lausebengel in den Wahnsinn getrieben wird…
Man kennt sich nicht aus, trotz der klaren Kapitelüberschriften: Erste Nacht in New York, erste Nacht in Florida. Und erst allmählich versteht man die Zusammenhänge, als nämlich George abhaut aus der Psychiatrie, was den shrink – typisch mit Vollbart und weichgespülter Birne – kaum juckt. Er hat ja dieses neue Psychomedikament bekommen, kann ja gar nichts passieren. Dass er in eine Peepshow geht – OK. Dass er eine Frau, die abends alleine zuhause ist, killt: nuuuun… Er braucht schließlich ein Auto. Um nach Florida zu gelangen. Richtig: in dieses Haus mit den drei Kindern und der überforderten alleinerziehenden Mama, die keinen richtigen Bock aufs Muttersein hat und lieber mit dem Boyfriend aufm Boot rummacht… Und der von diesem ungezogenen Satansbraten von Sohn andauernd böse Streiche gespielt werden, so dass man ihr ihr Verhalten nicht verdenken kann…
Gegen George Tatum stellt sich ein Mann; einer, der mit seinen weich-gedunsenen Körperrudnungen und der Fistelstimme auch eine dicke Frau mit aufgeklebtem Schnurrbart sein könnte, so eindeutig ist die Geschlechtlichkeit nicht. Ebensowenig wie sein Status, wahrscheinlich ist er Polizist, vielleicht auch eine Verkörperung himmlischer Gerechtigkeit, die leider immer wieder zu spät kommt. Dieser Ermittler hat einen Computer, den man alles fragen kann, der im zeitgenössischen grünfarbenen textbasierten Programm weiß, wohin der Mörder als nächstes fahren wird, eine Art Google lange avant la lettre. Und er (sie?) ist der einzige, der um die Gefährlichkeit von George weiß, das macht den Zuschauer noch rasender – denn schließlich kommt George in Florida an. In der schönen Kleinstadt mit dem schönen Häuschen, wo CJ, der junge Bengel, wohnt, wo die Mutter ganz ahnungslos ihr Leben lebt. Wo der Mörder nun sein Unwesen treibt.
Unglaubliche Szenen am Bootshaus, wo CJ spielt. Wo eine Teenagerin nach ihm sieht, das Haus betritt, einen Streich vermutet, in die höheren Stockwerke gelangt… wo einer lauert, im Dunkeln… Wo dann, um die Schraube noch weiter zu drehen, ein Freund von CJ diesen ebenfalls sucht, ebenfalls ins Haus reingeht… ebenfalls nach oben steigt… dort die entstellte Leiche der Teenagerin sieht… der letzte Schock in seinem Leben…
CJ hat ohnehin der Ruf eines Soziopathen. Vielleicht hat er, der Zehnjährige, die beiden gekillt? Die Polizei vermutet dies. Er ist auch reichlich ungerührt beim Anblick der Leiche des Freundes. Doch das Böse, das geht weiter umher… Und es sind eben keine Lausbubenstreiche mit Maskeraden als Monstermörder, oder mit fingierter Messerwunde im Bauch, vollverschmiert mit Ketchupblut, wie sie CJ immer wieder inszeniert.
Irgendwann ist George im Haus seiner designierten Opfer. Oben CJ in seinem Zimmer. Unten der Killer, der umherschleicht. Und der, weil eine Ecke in seinem Gehirn noch nicht völlig kaputt ist, per Haustelefon anruft, oben, im Kinderzimmer: Verschwinde, hau ab aus dem Haus… In den kleinen Kammern, in den Schränken, im Schatten nistet er sich ein, und was sich falsch bewegt, wird zum Opfer. Wir sind live dabei. Mitten in dem traumatisierten Psychopathenhirn des Killers, der schon als Kind kräftig dabei war… Was Tom Savini, dem legendären Spezialhorroreffektmacher, eine dolle Gelegenheit gibt, seine Kunst im Kopfabhauen zu beweisen.

Vierter bester Film und Überraschungssieger des Tages: „Ninja, die Killermaschine“. Der in einer völligen Fantasiewelt beginnt, in der ganz pur und ohne Zusatzingredienzien das gezeigt wird, was wir sehen wollen: Wie einer gegen viele kämpft, alles Könner auf diesem Gebiet, mit verschiedenen Waffen irgendwo in Wald, Gebüsch, hohem Gras, wo von überall her der Feind herausbrechen kann, um getötet zu werden. Feinde, die vermummt sind, gekleidet in reinem Schwarz, in Weiß, in Rot. Kämpfe mit tollen Posen, die tödlich enden. Ein Durchkämpfen durchs Gelände, hin zu einem Gebäude, wo noch einem Mönch der Kopf abgeschlagen werden muss, um endgültig einzudringen, um anzukommen – um die Prüfung zu bestehen.
Denn alles war nur die Abiturprüfung für den frischgebackenen Ninjakämpfer Cole, gespielt von niemand geringerem als Franco Nero. Der nun in sein normales Leben zurückkehrt, sagen wir: er besucht einen alten Kriegskameraden auf den Philippinen, der eine geile Frau hat und dem Alkohol verfallen ist. Sie haben’s schwer: Denn böse Bonzen wollen ihnen Grund und Boden abknöpfen, vergraulen die Arbeiter mit Gewalt und setzen ihnen zu, wo es geht. Klar, dass Cole hier helfen kann. Und wenn er es nebenbei mit einem fetten Schwein mit Hakenhand namens Siegfried Schulz zu tun kriegt: umso besser, da haben wir einen, an den wir uns halten können, zunächst mal. Solange nämlich, bis wir, also der begierige Zuschauer im Verbund mit Franco Nero, an den oberbösen Hintermann rankommen, Venarius heißt der, hat sein Büro in einem riesigen Penthouse – sprich: Ein Schreibtisch und ein großer Pool, in dem sich schöne Bikinimädchen räkeln und auf Zuruf Synchronschwimmen performen.
Venarius: Eine faszinierende Persönlichkeit, gespielt von Christopher George auf ganz unnachahmliche Weise, böse und charmant, mit feinsten Manieren und immer ein bisschen over the top, in den kleinen Gesten, im Spiel seiner Finger, im ironisch zuckenden Lächeln der Mundwinkel – keine Frage, stockschwul und stolz drauf – eine dieser Performances HIER... Ein abgrundtiefer Schurke natürlich auch. Zudem hat er eine Sammlung exquisiter Pornos – halt nee: Da sind keine Nackedeis, das ist ja der Bewerbungsfilm eines Ninjas, dem großen Rivalen von Cole, seit dessen Ausbildungstagen in Japan. Ein Ninja, den Vesarius angeworben hat, um es aufzunehmen mit Franco Nero, der seine Mannen unaufhaltsam niedermacht…
Ein doller Film, ein Kampfsportspektakel, das schön mäandert: Nicht einfach Gut gegen Böse, sondern Gut gegen allerlei diverse Bösewichter, die sich abwechseln in ihrem Status als Antagonisten. Kein Wunder, dass dies der erfolgreiche Beginn der Ninjafilmwelle war, die auf den Easternhongkongkungfukaratefimen draufsaß wie ein Affe auf rasendem Motorrad. Produziert und inszeniert von den Machern der erfolgreichen „Eis am Stiel“-Filmreihe, die Geld genug hatten, um Franco Nero auf die Philippinen zu locken, und um mit genügend Zeit ganz vorzüglich den Film in den Kasten zu kriegen, perfekt gerade in den kleinen Details, in den Seitenblicken, im richtig getimeten Filmrhythmus, die man mit weniger Budget – und weniger Talent – nicht hinkriegen kann. Die aber den entscheidenden Unterschied ausmachen in der Qualität, den es eben auch im Trash geben kann.
Es geht im Übrigen das Gerücht, dass Regisseur Menahem Golan so viel Zeit in philippinischen Puffs verbrachte, dass einen Großteil des Films Franco Nero in den Kasten kriegen musste. Wie auch immer: Gut gemacht!

Im Gegensatz zu den Filmen, die an diesem Tag ablosten, die wir auch getrost unter den Teppich kehren können.
„Die Todesminen von Canyon City“, auch bekannt als „Keine Gnade für Verräter“, könnte eine schöne Screwballvariante des Buddy-Spaghettiwestern-Genres sein, mit dem US-Amerikaner und dem dicken Mexikaner, die gemeinsame Sache machen, um 70.000 Dollar zu gewinnen und nebenbei einen bösartigen Silberminenbesitzer, der seine mexikanischen Arbeiter sklavisch ausbeutet, zur Strecke zu bringen. In schönen Streitdialogen beweisen die beiden immer wieder ihre symbiotische Zusammengehörigkeit – der Film aber verliert sich in sinnlos-willkürlichen Begebenheiten, die nur die Dramaturgie verwirren und wenig zum Ziel führen. Das nicht nur der Zuschauer, auch die Protagonisten aus dem Auge zu verlieren drohen, weil sie irgendwann auch nicht mehr so richtig zu wissen scheinen, wer eigentlich für wen arbeitet und wem was vormacht. Der Dicke ist irgendwann Koch beim Bösewicht, der aufrechte Gringo wird einer seiner Handlanger, offenbar aber doch nur, um ihn reinzulegen, weshalb der Mexikaner plötzlich als General einer Revolutionsarmee auftaucht – schön dabei: Eine farcehafte Gerichtsszene, in der die Leichen getöteter Mexikaner als Geschworene und als Zeugen auftreten, echt lustig. Aber eben alles völlig zusammenhangslos, immer wieder explodieren Leute, das ist auch doll, freilich weiß man nicht recht, warum. Vielleicht ist das auch dem Regisseur klar, im Film heißt es mal: „Es ist besser, nichts zu verstehen und weiter zu atmen als zuviel zu wissen, wenn man dafür ins Graf beißt.“ Gut, dass wir noch leben.

Und schade, dass wir dann zu „Mit Vollgas durch die Hölle“ kommen, einem Car-Chasing-Film ohne echte Autoverfolgungsjagd, über zwei Cops, die Autos verschieben, die sie denen klauen, die ihre Raten nicht zahlen können. Ganz legal, gute Kohle, so sagt man ihnen – stimmt natürlich nicht, ist alles kriminiell, ist irgendwie aber auch alles egal. Ebenso, wie ihr Job als Highwaypatrolmen kaum was ausmacht, außer, dass der eine diesen nutzt, um Frauen anzubaggern und so an eine neue Geliebte gerät, mit der er dann durch die Gegend brettert. Seine vorherige Freundin hat er irgendwie scheiße gefunden, wie er sie loswurde, versickert im elliptischen Erzählstil. Ein Stil, der wahrscheinlich gewollt, vielleicht aber nur reiner Dilettantismus ist. Ohne jede Spannung, auch ohne wirkliche Charaktere bleibt nur eines: Wie ein Auto von Cop-Cars verfolgt wird und dabei eine lange, lange Treppe runterfährt, holterdipolter – so ähnlich, wie Dick und Doof einst ein Klavier hochtransportierten, nur andersrum.

Der Abschuss aber: „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“; der das zeigt, was der Titel verspricht, nunja: Nacktheit sowieso, ist ja ein Jess-Franco-Filmchen. Superhexe: das ist die böse Hotelbesitzerin, die zugleich Puffmutter ist. Rio Amore: Das ist dieser Puff, in den die Schurkin eine Nebenbuhlerin um den schönen Portier verbringen lässt. Diese Betsy nämlich, die neu angefangen hat im Hotel, wird zugedröhnt mit Drogen öffentlich ausgestellt und von geilen Männern wie Frauen begattet, zur Belustigung der Chefin. Die dies auch ihrem Lover vorführt, der wiederum echt verliebt ist in Betsy und sie unter diesen entwürdigenden Umständen aber nun auch nicht mehr will. Zumal die Hotelchefin all ihre Reize einsetzt, um ihn so richtig durchzuficken.
Nebenhandlung: Linda fliegt von München ein, sie ist Klosterschülerin und wurde zum Abschied in ihrer Schlafkammer von der Kameradin noch abgeschleckt, oben und unten. Sie will ihre Schwester Betsy besuchen und trifft auf einen richtig netten jungen Eingeborenen – gedreht wurde, glaube ich, auf Madeira –, in den sie sich total verknallt, obwohl sie ja eigentlich noch total rein und unschuldig ist; naja, bis auf die Abschiedsszene in München. Egal. Die zwölfjährige Schwester des jungen Freundes jedenfalls hat ein vorlaut-präsexuelles Mundwerk und will die beiden unbedingt verkuppeln, nein: geschlechtsorganisch aneinanderkuppeln, aber es kommt dann doch zu einer total romantischen Liebesszene am Strand, ohne Zutun der Schwester. Betsy wiederum lebt das Schicksal so vieler Zwangsprostituierter, Linda erinnert sich ab und an an sie, um die beiden Filmhandlungen nicht völlig aneinander vorbei laufen zu lassen. Doch tatsächlich etwas zu tun haben die beiden nicht miteinander, die Teenie-Liebe und das aufgeilende Porträt eines Puffs im Jess-Franco-Style.
Vollkommener Quatsch das alles, mit deftiger Soße, und völlig zum Vergessen. Wäre da nicht Linda, nach der immerhin der Film im Original benannt ist: Gespielt wird sie in all ihrer Nacktheit, in all ihrer erotischen Ausgestelltheit von Katja Bienert, die zum Tatzeitpunkt des Filmdrehs gerade mal 14 Jahre alt war. Ihr Geburtsdatum und ihr pickliges, ungeclearasiltes Gesicht verraten es.

Harald Mühlbeyer